FALLSTUDIE Kommerzielle Schifffahrt

Feuerlöschpumpe auf norwegischer Ölplattform von mtu-Motoren angetrieben

Veröffentlicht am 28 November 2016

Auf der norwegischen Ölplattform Gjøa stehen die weltweit größten und leistungsfähigsten Feuerlöschpumpen, um vor schlimmen Bränden zu schützen. Sie werden angetrieben von vier 20-Zylinder- Motoren der mtu-Baureihe 4000 mit einer Leistung von je 2.800 Kilowatt (kW) bei 1.800 Umdrehungen pro Minute. Damit kann das aus vier Pumpen bestehende Feuerlöschsystem Brände mit über 4.000 Litern Wasser pro Sekunde löschen, etwa so viel wie 100 moderne Feuerlöschfahrzeuge zusammen.
Details

Wer

Frank Mohn, norwegischer Pumpenhersteller, für die von Statoil Hydro gebaute Erdgas- und Ölförderplattform Gjøa

Was

Vier Motoren der Baureihe 4000 für den Antrieb der größten Feuerlöschpumpe der Welt

Wie

Entwickeln einer kompakten, leistungsfähigen Antriebslösung mit optimiertem Startverhalten

Wo

Bergen, Norwegen

mtu ist einer der wenigen Dieselmotorenhersteller weltweit, dessen Aggregate die Kriterien unserer Feuerlöschpumpen erfüllen.

Erik Bergesen - Einkäufer beim Pumpenhersteller Frank Mohn
„Gjøa“ hieß einst der umgebaute Fischkutter, mit dem es Roald Amundsen Anfang des 19. Jahrhunderts erstmals gelang, die Nordwestpassage vom Atlantik zum Pazifik zu durchfahren. Denselben Namen trägt heute das Öl- und Erdgasfeld, das 1989 vor Norwegens Westküste entdeckt wurde. Nach 22-jähriger Vorarbeit hat die Förderung des Gjøa-Feldes Ende 2010 begonnen. Es verfügt über Reserven von 10 Millionen Kubikmeter Öl und Kondensat sowie 37 Milliarden Kubikmeter Erdgas. Das Feld wird über eine Halbtaucherplattform und fünf Fördereinrichtungen auf dem Meeresboden erschlossen. Das Erdgas aus dem Gjøa-Feld wird in die FLAGS-Pipeline (Far North Liquids and Associated Gas System) eingespeist, die in Schottland bei St. Fergus das Festland erreicht.
Das norwegische Unternehmen Statoil Hydro hat sowohl die Plattform als auch den Anschluss an die FLAGS-Pipeline erbaut. Angesichts der komplizierten geologischen Verhältnisse vor Ort mussten zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. So auch in Sachen Brandschutz: Um die Umwelt und die Förderstätte vor möglichen Bränden zu schützen, beauftragte Statoil Hydro den Pumpenhersteller Frank Mohn mit dem Bau einer leistungsfähigen Feuerlöschpumpe. Die Anforderungen daran waren sehr hoch, denn sie muss selbst den widrigsten Wetterbedingungen wie Wind und Sturm auf hoher See standhalten können. Einerseits sollte die Pumpe eine hohe Durchflussleistung haben, andererseits war nur ein sehr begrenzter Raum auf der Plattform für das Feuerlöschsystem verfügbar. Der in Bergen ansässige Pumpenhersteller entschied sich für ein dieselelektrisches Antriebssystem: Vier 20-Zylinder-Motoren der mtu-Baureihe 4000 — Typ 20V 4000 P83 — mit einer Leistung von jeweils 2.800 kW bilden das Herzstück des Feuerlöschsystems. Sie bilden zusammen mit den Generatoren vier Aggregate, die den Strom für insgesamt vier Pumpen erzeugen.

Das mtu-Team hat uns stets durch ein kooperatives und professionelles Miteinander überzeugt.

Erik Bergesen - Einkäufer beim Pumpenhersteller Frank Mohn

Hohe Anforderungen an die Motoren


Die vier Motoren mussten strenge technologische Standards erfüllen. Sie erhielten eine Speziallackierung, die dem rauen Klima der Nordsee widersteht. Zwar ist jedes Aggregat in einem separaten, wasserdichten Container untergebracht — vor der maritimen Luft mit dem hohen Salzgehalt müssen die Motoren dennoch geschützt werden. Darüber hinaus sind die Motoren mit Schnellschluss-Klappen ausgestattet, um im Gefahrenfall — etwa bei plötzlich auftretendem Gaseinbruch — die Luftzufuhr des Motors sofort zu unterbrechen, um eine Überdrehzahl des Motors zu vermeiden. „Die Motoren können auf Knopfdruck von einer Sekunde zur anderen gestoppt werden — ein Kriterium, das gerade beim Einsatz in einer Feuerlöschpumpe von allergrößter Bedeutung ist“, erklärt Robert Wagner, Senior Manager für den Bereich Oil & Gas bei mtu.
Zudem verfügen alle Systeme der Motoren über eine „doppelte Sensorik“, das heißt bestimmte Überwachungssensoren des Motors sind zweifach vorhanden. Beim Ausfall dieser Sensoren übernehmen die redundanten Sensoren die Überwachung. Außerdem haben die Motoren wassergekühlte Abgasleitungen und Turbolader. „Beides dient dazu, die Oberflächentemperaturen möglichst niedrig zu halten, damit bei eventuell auftretenden Kraftstofflecken keine Brände entstehen können“, so Wagner.

Weniger Platz und Gewicht bei hoher Leistung


Da auf einer Ölplattform wenig Platz ist, sollten die Aggregate so kompakt und leicht wie möglich gehalten werden. Die 4000er-Motoren sind 3,6 Meter lang, 1,5 Meter breit und 2,1 Meter hoch und haben ein hohes Leistungsgewicht, das heißt sie erreichen im Vergleich zu Motoren anderer Hersteller mehr Leistung bei einem geringeren Gewicht. Um die Aggregate in dem kleinstmöglichen Container unterbringen zu können, musste außerdem ein Generator gewählt werden, der möglichst wenig Platz beansprucht, aber dennoch die vorgeschriebenen Leistungsanforderungen erfüllt. Die größte Herausforderung bestand darin, dass die Pumpen innerhalb von maximal 20 Sekunden die volle Pumpenleistung erbringen müssen. Dies wäre für die geforderte Leistungsfähigkeit mithilfe von bisherigen Lösungen nur über einen überdimensional großen Generator oder über eine Sanftanlaufsteuerung, beispielsweise einen Frequenzumrichter, machbar gewesen. Beides kam für dieses Projekt aus Gewichts- beziehungsweise Kostengründen jedoch nicht in Frage.
Da beim Start des Elektromotors der Pumpe der Leistungsbedarf etwa zwei bis drei Mal so hoch sein kann wie die Nennleistung des Dieselmotors, bestand die Lösung darin, den Startvorgang und das Anlaufverhalten der Motoren so zu optimieren, dass ein zu hoher Leistungsbedarf vermieden wird. Zusammen mit dem Generatorhersteller hat mtu das elektrische Verhalten des Generators dem Leistungsbedarf des Dieselmotors während der Startphase angepasst. Um zu verhindern, dass der Motor beim Start abgewürgt wird, darf die Last nicht zu schnell zugeschaltet werden. Dazu optimierte mtu den Zeitverlauf der Generatorerregung beim Hochlauf des Aggregates, um möglichst viel kinetische Energie des Systems für den Hochlauf zu nutzen. Im Vergleich zu anderen Lösungen konnte das Gewicht der Aggregate dadurch um etwa 50 Prozent reduziert werden, wodurch auch der Platzbedarf auf der Plattform geringer wurde, was wiederum Kosten beim Bau sparte. Der Antriebssystemspezialist konnte somit eine kompakte Antriebslösung für das Feuerlöschsystem bereitstellen, die sämtliche Anforderungen für den Einsatz auf der Ölplattform erfüllte.
Die mtu-Motoren wurden bei Frank Mohn in die feuerbeständigen Container des Feuerlösch-systems integriert und anschließend an Statoil Hydro zur Installation auf der Gjøa-Plattform ausgeliefert. Das aus vier Pumpen bestehen- de System ist in dieser Form einzigartig: Jede Pumpe hat eine Wasserförderkapazität von 3.600 Kubikmetern pro Stunde, das heißt alle vier Pumpen zusammen können pro Sekunde über 4.000 Liter Seewasser ansaugen, das mit 16 bar Förderdruck zur Brandbekämpfung verwendet wird. Das entspricht in etwa der Kapazität von 100 modernen Feuerlöschfahrzeugen. Die Inbetriebnahme der Plattform erfolgte Ende 2010 durch den Energiekonzern Gaz de France. Eines der größten zurzeit in der Nordsee betriebenen Projekte ist somit durch das derzeit leistungsfähigste Feuerlöschsystem bestens gewappnet, um entstehende Brände schnell und sicher zu bekämpfen.

Speziell geschultes Wartungspersonal vor Ort


Wagner ist sich sicher, dass das auch lange so bleibt: „Unsere Motoren sind für eine Einsatzdauer von mehreren Jahrzehnten ausgelegt.“ Für die Wartung hat mtu einen Partner vor Ort, das Unternehmen Bertel O’Steen in Bergen. Die Mitarbeiter dort kennen sich im Innenleben der mtu-Motoren bestens aus. Sie haben auch jene Lehrgänge absolviert, die sie zum späteren Arbeiten auf Offshore-Ölplattformen berechtigen. Unter anderem werden sie von einem Hubschrau- ber aus in einem riesigen Bassin versenkt. Die Aufgabe besteht darin, von dort wieder unbeschadet herauszukommen. Das ist eine von vielen Prüfungen, die realitätsnah auf die Gefahrensituationen auf einer Ölplattform zugeschnitten sind.

Seit 30 Jahren mtu-Motoren für Ölplattformen


Mit Ölplattformen haben Wagner und sein Team aber häufig zu tun: „Wir beliefern solche Plattformen schon seit 30 Jahren mit Motoren, die den besonderen Kriterien dort standhalten“, erklärt er. Diese jahrzehntelange Erfahrung weiß auch Erik Bergesen, Einkäufer des Pumpenherstellers Frank Mohn, zu schätzen: „mtu ist einer der wenigen Dieselmotorenhersteller weltweit, dessen Aggregate die Kriterien unserer Feuerlöschpumpen erfüllen.“ Für ihn stimmen Leistung, Hochlaufzeit, Sicherheit und vor allem Zu- verlässigkeit. Aber auch auf die Bereitschaft für individuelle Anpassungen legt er großen Wert: „mtu ist flexibel genug, um Motoren genau auf die Anforderungen eines speziellen Projektes abzustimmen.“ Darum arbeitet Frank Mohn bereits seit über 25 Jahren mit mtu zusammen. „Das mtu-Team hat uns stets durch ein kooperatives und professionelles Miteinander überzeugt“, ergänzt Bergesen.
Seit 30 Jahren beliefert mtu Ölplattformen in aller Welt mit Motoren für die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche — für Feuerlöschpumpen ebenso wie für eine Fülle weiterer Anwendungen. Auch auf der Gjøa-Plattform kommen zwei weitere Motoren des Antriebsspezialisten zum Einsatz: Neben den Motoren für die Feuerlöschpumpen lieferte mtu ein komplettes Aggregat, einen sogenannten „Essential Generator“ mit einem Motor der Baureihe des Typs 20V 956 TB33 mit einer Leistung von 6.250 kW, das für die Stromversorgung von wichtigen Verbrauchern beim Ausfall der Hauptstromversorgung sorgt. Ein weiteres mtu-Aggregat mit einem Motor des Typs 16V 4000 P61 mit einer Leistung von 1.760 kW stellt die Notstromversorgung sicher.