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„Das Pariser Abkommen zum Klimaschutz ist schlichtweg alternativlos“

Veröffentlicht am 19 August 2021 von Kerstin Hansmann

Professor Hans-Otto Pörtner ist Klimaforscher und Mitglied des Weltklimarats. In unserem Interview spricht er Klartext darüber, was sich jetzt ändern muss.

Drastischer als je zuvor hat der Weltklimarat mit seinem neuen Bericht, der Anfang August 2021 erschienen ist, offengelegt, wie verheerend es um unseren Planeten steht: Schon jetzt macht sich die Erderwärmung in jeder Region der Erde spürbar. Hitzewellen, Dürren und Starkregen sind nur ein kleiner Teil der Folgen, die immer häufiger auftreten. Der Klimawandel ist ausschließlich menschengemacht, daran gibt es keine Zweifel mehr. Entsprechend kann der Mensch den Klimawandel bremsen. Professor Hans-Otto Pörtner, Klimaforscher und Mitglied des Weltklimarats, spricht deutliche Worte.

Herr Pörtner, die Alarmglocken schrillen nun noch lauter als zuvor. Sie haben den neuen Bericht des Weltklimarats begleitet – was muss ich jetzt ändern?
Das Pariser Abkommen ist schlichtweg alternativlos. Um es zu halten, müsste die Weltgemeinschaft sofort in die ambitionierte Emissionsreduktion einsteigen und gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme stärken. Wir brauchen gesunde Ökosysteme für eine langfristige Stabilisierung des Klimas und den Erhalt der Artenvielfalt. Bereits geschädigte Ökosysteme sollten sich jetzt regenerieren können. Das heißt konkret: Wälder aufforsten, Ozeane säubern und Städte begrünen. Wer jetzt noch meint, sich nicht um den Klimawandel kümmern zu müssen, handelt meiner Ansicht nach sträflich.

Was verlangen Sie von Politik und Industrie?
Die Politik zögert noch viel zu sehr und hält an Bestehendem fest. Mit den richtigen Rahmenbedingungen können andere Akteure handeln. Die Industrie kann sich dann, genau wie alle anderen Akteure, aktiv am Klimaschutz beteiligen. Im Gegensatz zur Politik steht sie aber oft schon in den Startlöchern: CO2-neutrale Technologien existieren in ihren Anfängen, es braucht nun die politischen Rahmenbedingungen, um die Infrastruktur dafür zu schaffen.
Ich sehe im Klimawandel eine Analogie zur Corona-Pandemie: Wer sagt denn, dass wir irgendwann nicht auch in einen Klima-Lockdown gehen müssen, wenn wir die Klimawende nicht schnell genug schaffen? Das würde die Einstellung aller Aktivitäten bedeuten, die hohe Emissionen verursachen. Die Zeitskalen, die hierfür benötigt würden, wären allerdings deutlich länger als bei Covid. Das muss man sich vor Augen halten! Da ist es doch erheblich besser, Alternativen zu schaffen.

Was kann jeder Einzelne tun? Kann ein Einzelner überhaupt etwas bewirken?
Jeder Einzelne kann etwas bewirken und muss jetzt umdenken: Es braucht eine Umstellung unserer gesamten Lebensweise, die von der Mobilität bis zur Ernährung reicht – dazu gehört beispielsweise auch eine Reduktion des Fleischkonsums um ca. 80%, dies hilft, im Sinne des Klimaschutzes Methan- und Lachgasemissionen durch die Landwirtschaft zu reduzieren und Land für gesunde Ökosysteme und eine nachhaltige, gesunde Ernährung verfügbar zu machen. Wir müssen die wissenschaftlichen Grundlagen vorne anstellen und als Leitplanken für unser Handeln sehen. Das muss in die Köpfe rein.  

Wann war für Sie klar, dass das Ergebnis des Berichts dramatischer ausfällt, als es die meisten erwartet haben?
Das Ergebnis ist nicht neu - die Sicherheit in den Aussagen ist aber gestiegen. Gleichzeitig ist das grundlegende Verständnis für den Klimawandel gewachsen: Die Tatsache, dass wir derzeit extreme Wetterereignisse erleben, hat in der breiten Bevölkerung das Bewusstsein geschärft. Und die Ereignisse werden in ihrer Intensität noch zunehmen.

Wie ist eine solche, grundlegende Umstellung zu schaffen?
Einige Möglichkeiten gibt es bereits. Flugpassagiere der Lufthansa, beispielsweise, können sich bei der Buchung bereits für synthetisches Kerosin entscheiden. Nur ist das eben deutlich teurer. Um alle Menschen mitzunehmen, muss man die Rahmenbedingungen deshalb so gestalten, dass es sich lohnt, klimafreundlich zu leben – zum Beispiel über einen Ausgleich: Wer mehr Geld für Klimaschutz ausgibt, müsste dafür in anderen Bereichen belohnt werden.

Gibt es in Europa genügend erneuerbare Energiequellen, um die dort benötigten synthetischen Kraftstoffe herzustellen?
Es gibt einige erneuerbare Energiequellen, jedoch mangelt es noch an den Speicher- und Transportmöglichkeiten. Wir könnten vieles schneller umstellen, wenn wir einen Überschuss an erneuerbaren Energien aufbauen könnten. Wichtig ist die internationale Zusammenarbeit – mit globalen Kooperationen und weltweiten Synergien kommt die Welt hier schneller voran. Auch ein internationaler Ausgleich ist entscheidend.

Wie kann die Energieversorgung grün werden?
Wasserstoff steht derzeit als Energieträger der Zukunft im Fokus - er erlaubt uns, fossile Brennstoffe zurückzufahren, jedoch benötigen wir dafür einen Überschuss an erneuerbaren Energien. Neben Windkraft spielt Solarenergie eine große Rolle – möglichst viele Solarpanel sollten auf möglichst vielen Dächern installiert werden. Wasserstoff kann auch von sonnenreichen Ländern exportiert werden. Außerdem gibt es noch ungenutzte Energieressourcen wie beispielsweise Ozeanströmungen. Alle Möglichkeiten sollten wir zukünftig nutzen, jedoch schonend für die Ökosysteme.  

Gibt es nach all den bedrohlichen Infos, die der neue Bericht enthält, überhaupt noch Grund zum Optimismus?
Gut ist, dass das Bewusstsein für Klimaschutz in der Bevölkerung gewachsen ist. Zusammen mit den vorhergehenden Berichten zeigt der jetzt vorgelegte Bericht klar auf, wo wir Handlungsbedarf haben. Wenn wir jetzt ambitioniert vorgehen, sind die Ziele noch zu erreichen – das ist die gute Nachricht. Der gesellschaftliche und vor allem politische Wille ist entscheidend!

Herr Poertner, vielen Dank für das Gespräch!

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