Notstromversorgung für die Charité - Europas grösstes Klinikum - Schlüsselfertige Anlage sichert Krankenhausbetreiber bei Stromausfall
Veröffentlicht am 03 März 2017
Zwei Notstromaggregate von mtu stellen seit Juli 2010 sicher, dass im Nordbereich des Standortes Campus Charité Mitte des Universitätsklinikums Charité in Berlin der Krankenhausbetrieb auch im Fall eines Stromausfalles reibungslos weiterläuft. Die Aggregate mit mtu-Dieselmotoren des Typs 12V 4000 G23 haben eine elektrische Leistung von insgesamt rund 1.700 kVA und übernehmen innerhalb von zehn Sekunden den Notstrombetrieb. mtu lieferte eine schlüsselfertige Anlage — neben den Dieselaggregaten gehören dazu Kühl-, Kraftstoff- und Abgassystem, Zu- und Abluftsystem sowie Steuerung.
Wer
Charité — Universitätsmedizin Berlin
Was
Notstromversorgung für den Nordbereich des Standortes Campus Charité Mitte mit zwei Dieselaggregaten basierend auf 12-Zylindermotoren der Baureihe 4000 einschließlich Peripherie
Wie
Wo
Berlin, Deutschland
In einem Krankenhaus kann man nicht experimentieren, sondern muss sich hundertprozentig auf die Anlage verlassen können.
Rund eine halbe Million Patienten pro Jahr, 7.000 Operationen pro Monat und 20 Geburten pro Tag: Die Charité — Universitätsmedizin Berlin ist das größte Universitätsklinikum Europas und zählt zu den renommiertesten Unikliniken weltweit. Verteilt auf vier Standorte deckt sie mit ihren 103 Kliniken und Instituten, in denen rund 4.000 Ärzte und Wissenschaftler beschäftigt sind, das gesamte medizinische Spektrum ab. Im Jahr 2010 feierte der fünftgrößte Arbeitgeber und drittgrößte Stromabnehmer Berlins sein 300-jähriges Jubiläum. Um auch bei einem Stromausfall einen reibungslosen und störfreien Krankenhausbetrieb aufrecht erhalten zu können, hat die Charité eine umfangreiche Notstromversorgung. Für die Notstromversorgung des Nordbereichs am Standort Campus Charité Mitte hat sich das Uniklinikum für eine Anlage von mtu entschieden, die die alte Notstromanlage ersetzt. „Die Stromversorgung ist das Rückgrat für den Krankenhausbetrieb, ohne sie funktioniert nichts“, erklärt Thomas Flügel, technischer Leiter der Charité. „In einem Krankenhaus kann man nicht experimentieren, sondern muss sich hundertprozentig auf die Anlage verlassen können.“
Komponenten der schlüsselfertigen Anlage
mtu lieferte dem Klinikum eine schlüsselfertige Anlage. Aufbauend auf den beiden Dieselaggregaten mit mtu-Motoren des Typs 12V 4000 G23 gehören dazu die peripheren Systeme wie das Kühl-, Kraftstoffund Abgassystem, das Zu- und Abluftsystem sowie Steuerung. Die Kraftstoffversorgung ist über einen Betriebsbehälter je Aggregat mit 2.000 Litern und einen gemeinsamen 20.000-Liter-Vorratstank sichergestellt. Damit ist eine Notstromversorgung für rund 50 Stunden gewährleistet. Jedes Aggregat ist für eine elektrische Leistung von 850 kVA ausgelegt. Die Motoren selbst haben eine höhere Leistung, damit sind für eine zukünftige Ausbaustufe des Standortes ausreichend Leistungsreserven vorhanden.
Die Anlage befindet sich in einem eigens dafür gebauten Backsteingebäude auf dem Klinikgelände — die Aggregate im Erdgeschoss, die Kühlsysteme im ersten Stock. Diese Variante ist aufgrund der Luftmengen, die zum Kühlen der Systeme benötigt werden, von Vorteil. Durch ein großes Schaufenster kann sich jeder — egal ob Patient, Besucher oder Klinikmitarbeiter — ein Bild von den Notstromsystemen machen.
Projektierungsleistungen
Nach Beauftragung durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin übernahm mtu als Gesamtdienstleister die komplette Planung des Projekts, einschließlich der Bauleitung, und war damit auch für den Einbau baulicher Einrichtungen und Anlagen wie Kaminen, Erdtank und Brandschottungen zuständig. Darüber hinaus richtete mtu die Steuerungen der Aggregate selbst ein und setzte die Koordination zu externen Schnittstellen wie der zentralen Notstromsteuerung um.
Auch Randbedingungen, die nicht spezifisch gefordert waren, aber für den reibungslosen Ablauf nötig waren, kalkulierte mtu ein, etwa den Kraftstoffverbrauch bei Testläufen. „Wir waren froh, MTU Friedrichshafen als großes, erfahrenes Unternehmen in diesem Projekt an Bord zu haben“, so Thomas Siebeck, Geschäftsführer des IBB Ingenieurbüro Siebeck, das für die Charité die Bauüberwachung des Projektes übernahm. „Für uns war es wichtig, das enorme Know-how nutzen zu können, das hinter dieser Firma steckt.“
Bei der Projektierung der Anlage gab es zwei zentrale Anforderungen: Zum einen die strengen Auflagen der TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm), da sich das Aggregatehaus in unmittelbarer Nachbarschaft zu Patientengebäuden befindet. „Die Schalldämmung wurde von mtu so ausgelegt, dass die bei laufenden Aggregaten im Innenraum gemessenen 120 Dezibel — das entspricht einem Presslufthammer — draußen kaum zu hören sind“, erläutert Jochen Thurner, Projektleiter der mtu. Zum anderen schreibt die TA Luft aufgrund der Innenstadtlage des Klinikstandortes Campus Charité Mitte strenge Abgasgrenzwerte vor. Diese erfüllt der Energieanlagenspezialist durch den Einsatz emissionsoptimierter Motoren mit nachgeschalteten Dieselpartikelfiltern.
Die Notstromsysteme versorgen wichtige Einrichtungen wie den Hauptdiagnostikbereich, die Nuklearmedizin, die Dermatologie, Psychiatrie und Neurologie sowie die pathologische Diagnostik mit Strom. Auch die Hauptwärmestation und die Küche hängen im Notfall an diesen Aggregaten.
Betriebsbereit in zehn Sekunden
Fällt der Strom aus, starten die beiden Notstromaggregate vollautomatisch über Starterbatterien — zwei pro Aggregat. Zum Starten benötigt wird allerdings nur ein Startsystem, das andere ist redundant und dient der zusätzlichen Sicherheit. Der Startbefehl kommt von der übergeordneten Notstromsteuerung, die alle Verbraucher im Blick hat. Bei einem Spannungseinbruch startet der Motor nach einer Sekunde und läuft auf die Nenndrehzahl von 1.500 Umdrehungen pro Minute hoch, bei der er eine Frequenz von 50 Hertz erzeugt.
Damit er möglichst schnell zur Verfügung steht, befindet der Motor sich stets im vorgewärmten Zustand. Aufgrund des hohen Drehmoments hat der Motor ein schnelles und hohes Lastaufschaltvermögen. Innerhalb von zehn Sekunden hat das Aggregat die Betriebsbedingungen, stabile Spannungsund Frequenzwerte erreicht. Ab diesem Moment kann Last zugeschaltet werden. Im Fall der Aggregate für die Charité können dank des hohen Lastaufschaltvermögens alle für die Sicherheitsstromversorgung vorgesehen Verbraucher auf einmal zugeschaltet werden. Weitere Verbraucher folgen je nach Plan und Bedarf.
Der Notstrom kommt mit einer Betriebsspannung von 10.000 V aus dem Generator und muss über einen Transformator erst wieder auf eine benutzbare Niederspannung heruntertransformiert werden. Üblicherweise arbeitet man bei Notstromanlagen mit Niederspannung, damit der Strom sofort benutzbar ist. 10.000 V — mit dieser Hochspannung verteilen die öffentlichen Netze den Strom innerhalb einer Stadt. „Wir benutzen diese Hochspannung von 10.000 V auch für unser internes Stromnetz, da wir mit hohen Leistungen arbeiten müssen“, erläutert Flügel.
Der Standort Campus Mitte beispielsweise hat einen Strombedarf von rund 12,5 MVA, das entspricht etwa der Leistung eines Kraftwerkblocks. „Der Vorteil ist, dass wir uns direkt mit dem öffentlichen Netz synchronisieren können. Zudem kann der Strom über weite Strecken verlustärmer verteilt und die Notstromversorgung aller Gebäude über Zentralen abgewickelt werden.“
Generalprobe unter realen Bedingungen
Ehe die Notstromsysteme nach Berlin geliefert wurden und im Juli 2010 in Betrieb gingen, hatte mtu diese auf dem eigenen, hochmodernen Aggregate-Prüfstand in Friedrichshafen mit Hilfe einer simulierten Lastaufschaltung umfassend getestet.
Zusätzlich probt Flügel regelmäßig den Ernstfall — mit dem Krankenhauspersonal, aber auch den Notstromsystemen. Einmal im Mo-nat gibt es einen Testlauf, um sicherzustellen, dass die Notstromsysteme einwandfrei laufen. Der dabei produzierte Strom wird in das Krankenhausnetz eingespeist.
mtu — keine einmalige Sache
Die Charité setzt nicht nur für den Nordbereich des Charité-Standortes Campus Mitte auf Notstromversorgung von mtu. Auch im Südbereich stehen zwei Aggregate mit Motoren der Baureihe 4000. Am Standort Campus Virchow-Klinikum im Bezirk Wedding im Norden Berlins sind seit Oktober 2010 Notstromaggregate mit den ersten beiden in Deutschland ausgelieferten Motoren der neuen mtu-Baureihe 1600 im Einsatz. Die Motoren des Typs 12V 1600 G20F haben eine elektrische Leistung von je 700 kVA und versorgen im Fall eines Stromausfalls das dortige Forschungsgebäude mit Rechenzentrum, Zentral- und Einzellaboren mit Strom.