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Kohleinsel ohne Kohle: So wird der Duisburger Hafen CO₂-neutral

Veröffentlicht am 08 Juli 2025 von Lucie Maluck

Ein intelligentes, CO2-neutrales Energiesystem versorgt ein neues Terminal am Duisburger Binnenhafen autark mit grüner Energie. Mittendrin: die ersten mtu-Wasserstoff-Blockheizkraftwerke.
Der Duisburger Hafen war über 100 Jahre lang einer der wichtigsten Umschlagplätze für Kohle. Heute ist der Hafen weltweit die größte Container-"Drehscheibe" im Binnenland. Dort, wo zu Spitzenzeiten mehr als 20 Millionen Tonnen Kohle im Jahr umgeschlagen wurden, steht heute ein neues, digital gesteuertes Container-Terminal, das sich autark und CO2-neutral mit Energie versorgen kann. Dafür sind nicht nur mtu-Wasserstoff-Blockheizkraftwerke im Einsatz.  

„Hier wird die Zukunft getestet“, sagt Alexander Garbar. Der Stolz steht ihm dabei ins Gesicht geschrieben. Alexander Garbar ist Leiter der Unternehmensentwicklung der Duisburger Hafen AG. Er ist einer der Köpfe hinter dem innovativen Energiesystem des neuen Container-Terminals. Zusammen mit Experten von Rolls-Royce hatte er die Idee, ein autarkes, intelligentes und CO2-neutrales Energiesystem zu entwickeln – nicht nur für den Duisburger Hafen, sondern auch als eine Blaupause für andere Häfen und Infrastrukturprojekte.  Aus dieser Idee entstand das Forschungsprojekt enerPort II, gefördert vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. In diesem soll demonstriert werden, dass ein Hafenterminal dieser Größenordnung mit lokaler Erzeugung von Wärme und Strom vollkommen CO2-neutral betrieben werden kann. 

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Heute steht Alexander Gaber in der Schaltzentrale des neuen Hafenterminals und sieht auf Bildschirmen, wie die verschiedenen Energiequellen miteinander zusammenspielen. Den Großteil der Energie liefern Solaranlagen. Überschüssige Energie wird in einem mtu-Batteriecontainer EnergyPack gespeichert. 

Doch nicht immer scheint die Sonne und oft reicht die Energie der Solaranlage nicht aus. Dann kommen die mtu-Brennstoffzellensysteme und mtu-Wasserstoff-Blockheizkraftwerke ins Spiel. Eine übergeordnete Steuerung stellt immer die optimale Kombination der verschiedenen Anlagen sicher.  

Solaranlagen erzeugen Strom für den Duisburger Binnenhafen. Kann dieser nicht direkt genutzt werden, wird er in mtu EnergyPacks gespeichert. mtu-Wasserstoff-Blockheizkraftwerke kommen dann zum Einsatz, wenn sowohl die Solaranlagen als auch die Batteriespeicher keinen Strom zur Verfügung stellen können.

Microgrid macht Hafenterminal autark

Ein Konzept, das funktioniert. „Unser Microgrid läuft zuverlässig und zeigt, dass es möglich ist, so ein großes Hafenterminal völlig autark mit grüner Energie zu versorgen. Das macht mich stolz“, so Garbar. Er fügt aber auch hinzu: „Marktreif ist das Konzept noch nicht.“ Die Technologie sei da, der grüne Wasserstoff, um diese zu nutzen, leider noch nicht – und wenn, sei er viel zu teuer. Ohne die Förderung im Rahmen des Forschungsprojekts sei es aktuell kaum möglich, das Konzept wirtschaftlich umzusetzen. 

Alexander Gaber, Leiter der Unternehmensentwicklung der Duisburger Hafen AG, ist einer der Köpfe hinter dem CO2-neutralen Energiesystem, das einen Terminal des Duisburger Hafens CO2-neutral mit Energie versorgen kann.

Der Wasserstoff, der für den Betrieb der Blockheizkraftwerke und Brennstoffzellen notwendig ist, wird in Duisburg per Lkw angeliefert. Grün, also mit Strom aus regenerativen Quellen hergestellt, ist er leider noch nicht. Geplant ist, dass ab dem Jahr 2027 ein Elektrolyseur grünen Wasserstoff erzeugt. Wenn das so weit ist, ist das Microgrid komplett CO2-neutral. 

Dann können auch die zwei mtu-Wasserstoff-Blockheizkraftwerke, die in Duisburg erstmals zum Einsatz kommen, CO2-frei betrieben werden. 

Zwei mtu-Wasserstoff-Blockheizkraftwerke mit einer Leistung von je einem Megawatt liefern am Duisburger Hafen Strom.

Ziel: mtu-Wasserstoffmotor mit über zwei Megawatt Leistung

Jeweils ein Megawatt Leistung haben die beiden mtu-Wasserstoffmotoren, die jetzt in Duisburg laufen. Damit ist Andrea Prospero zufrieden. Der schwäbische Ingenieur mit dem italienisch klingenden Namen hat zusammen mit seinen Kollegen den Motor entwickelt. Grundlage war ein mtu-Gasmotor. Da Wasserstoff aber andere physikalische und chemische Eigenschaften hat als Erdgas, waren einige Anpassungen nötig. 

So wird aus einem Gasmotor ein Wasserstoffmotor

Grundlage für die neuen mtu-Wasserstoffmotoren sind die bewährten, stationären mtu-Gasmotoren. Diese bekommen neue Teile:

  • Die Turbolader werden durch neue, von Rolls-Royce entwickelte Lader ersetzt. Diese sind größer als bei den Gasmotoren, da sie wesentlich mehr Luft verdichten müssen. 
  • Die Zylinder haben ein neues, an Wasserstoff angepasstes Design. Der Grund ist das niedrigere Verdichtungsverhältnis in den Zylindern, das wegen der höheren Zündwilligkeit von Wasserstoff notwendig ist.
  • Einspritzsystem: Anders als beim Gasmotor wird der Wasserstoff erst kurz vor dem Zylinder der Ladeluft zugeführt. Denn befände sich der Wasserstoff schon im Ladeluftrohr, wäre die Gefahr unkontrollierter Verbrennungen zu groß, da der Kraftstoff sehr schnell zündet. 
  • Um die komplexe Wasserstoffverbrennung zu regeln, hat der Motor eine neue Steuerung bekommen. Diese liest beispielsweise auch Drucksensoren in den Zylindern aus, die beim stationären Gasmotor nicht notwendig sind.

 

Andrea Prospero ist nicht nur stolz, dass sich der Motor nun endlich im realen Betrieb beweisen kann. Er ist auch voller Tatendrang und sieht das Potenzial, das noch in dem Motor steckt.  Der Motor wird derzeit schon weiterentwickelt, damit er vor allem leistungsstärker wird. „In einigen Jahren wollen wir mit einem Wasserstoffmotor mit mindestens zwei Megawatt Leistung in Serie gehen, der in Sachen Effizienz Benchmark ist“, verrät Prospero. 

Wasserstoffmotorenentwickler bei Rolls-Royce: Andrea Prospero hat den Motor entwickelt, der in Duisburg erstmals zum Einsatz kommt.

Umrüstkit für bestehende Gasmotoren

Bis dahin wird auch der Bedarf an Wasserstoffmotoren steigen. Noch sind sie für die Stromversorgung nicht gefragt, da sie sich kaum rechnen. Denn grüner Wasserstoff ist nicht nur teuer, sondern auch schwer zu bekommen – wie das Beispiel duisport zeigt. Doch weltweit sind Wasserstoff-Projekte im Kommen.  

Andrea Prospero entwickelt mit seinen Kollegen daher auch ein Umrüstkit für bestehende mtu-Gasmotoren. „Mit diesem Umrüstkid können Kunden, beispielsweise im Rahmen einer Grundüberholung, aus ihrem Gasmotor einen Wasserstoffmotor machen und damit CO2-neutral Energie erzeugen“, so Prospero.  Der TÜV Süd hat die H2-Readiness der mtu-Gasmotoren der Baureihe 4000 FNER/ FV bereits zertifiziert . 

Wasserstoffmotoren als zentraler Pfeiler der Energiewende

Doch die Planungen gehen weiter. In einem Konsortium mit fünf Unternehmen und Forschungsstellen entwickeln Rolls-Royce-Ingenieure die notwendigen Technologien für neue, noch leistungsfähigere und effizientere Wasserstoffverbrennungsmotoren. Im Rahmen des öffentlich geförderten Projekts Phoenix (Performance Hydrogen Engine for Industrial and X) soll bei einem Wasserstoffmotor erstmals die gleiche elektrische und thermische Energie erzeugt werden wie bei aktuell verfügbaren Erdgas-BHKWs im größeren Leistungsbereich (bis 2,5 MW).  

„Wir sind überzeugt davon, dass Wasserstoff-Verbrennungsmotoren ein zentraler Pfeiler der Energiewende werden“, sagt Tobias Ostermaier, der das Geschäft mit dezentralen Energiesystemen bei Rolls-Royce leitet. „Sobald die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff in großem Maßstab sichergestellt ist, wird die im Projekt Phoenix geförderte Technologie der hocheffizienten Wasserstoffblockheizkraftwerke reif sein für ihren Einsatz“, sagt   er. 

CO2-neutrale Autarkie als Wettbewerbsvorteil

Auch Alexander Garber ist überzeugt von seinem Projekt und stolz darauf, ein Vorreiter zu sein. Er geht sogar so weit zu sagen, dass das schon heute autarke, und perspektivisch CO2- Energiesystem ein großer Wettbewerbsvorteil für den Duisburger Hafen ist. „Wir leben leider in Zeiten, in denen eine autarke Energieversorgung für die kritische Infrastruktur ein wichtiges Argument ist“, sagt er. Dass diese Autarkie bald auch noch CO2-neutral ist, sei ein weiterer Pluspunkt – und ein Alleinstellungsmerkmal für einen Hafen, bei dem sich bis zuletzt noch alles um Kohle drehte. 

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