STORY Kommerzielle Schifffahrt

Mit Hightech nach Helogland

Veröffentlicht am 26 September 2022 von Anne-Katrin Wehrmann

Das Equipment Health Management System mtu NautIQ Foresight macht den Katamaran "Halunder Jet" jetzt noch zuverlässiger und effizienter.
Helgoland, Germany
Die Erfassung und Analyse von relevanten Daten wird immer wichtiger für einen nachhaltigen und zuverlässigen Schiffsbetrieb. Das Equipment Health Management System (EHMS) mtu NautIQ Foresight kann dazu beitragen, eine maximale Verfügbarkeit und einen minimalen Kraftstoffverbrauch zu erreichen. Die ersten Erfahrungen auf dem mit vier mtu-Motoren vom Typ 16V 4000M63L ausgestatteten Pilotschiff „Halunder Jet“ sind durchweg positiv.  

Es ist ein strahlend sonniger Augusttag, die Nordsee zeigt sich von ihrer besten Seite. Ententeichwetter: Die Crew auf der Brücke des „Halunder Jet“ hat einen ruhigen Job. Um Punkt 9 Uhr ist der Highspeed-Katamaran der Fährreederei FRS Helgoline in Hamburg gestartet, nach einem kurzen Zwischenstopp in Cuxhaven wird er gegen 12.30 Uhr in den Helgoländer Hafen einfahren. Gut vier Stunden haben die Tagesgäste unter den mehr als 600 Passagieren an Bord dann Zeit, zur Langen Anna zu spazieren, Trottellummen und Basstölpel zu beobachten oder zollfrei einzukaufen. Sie wollen jede Minute auf der Insel nutzen können – und zugleich die Sicherheit haben, später pünktlich wieder auf dem Festland anzukommen und ihre Anschlussverbindungen zu erreichen.

Verfügbarkeit und Verlässlichkeit stehen deswegen ganz oben auf der Prioritätenliste für den Betrieb des „Halunder Jet“, gleich neben dem Einsparen von Brennstoff und damit von CO2, was in Zeiten steigender Kraftstoffpreise und wachsenden Umweltbewusstseins ebenfalls ein zunehmend wichtiger Aspekt ist. Zu beidem kann mtu NautIQ Foresight einen Beitrag leisten. Das System überwacht bald den technischen Zustand des kompletten Schiffes und ermöglicht dank zielgerichteter Auswertung der gesammelten Daten vorausschauende Wartungen, bevor eine Komponente ausfällt. Darüber hinaus soll es die Besatzung dabei unterstützen, das Schiff mit maximaler Effizienz zu betreiben.

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Flexibel anpassbar

Chief Engineer Andreas Deckert sitzt in seinem Sessel auf der Brücke und betrachtet seinen Laptop, auf dem das neue EHMS läuft. Auf den fest installierten Monitoren ist momentan nur das bordeigene Überwachungssystem zu sehen, doch das soll sich bald ändern: Dann wird auch der Kapitän die Möglichkeit haben, jederzeit auf die Live-Daten von  mtu  NautIQ Foresight zurückzugreifen. Nautische Informationen, aktuelle Leistungswerte der einzelnen Motoren, die nächsten fälligen Wartungstermine: Vieles von dem, was das neue System in übersichtlicher Darstellung zur Verfügung stellt, ließ sich auch bisher schon von den bordeigenen Lösungen ablesen. „Einer der Vorteile von  mtu  NautIQ Foresight ist es, dass das System deutlich flexibler ist“, sagt Deckert. „Bei Bedarf können wir weitere Sensoren für zusätzliche Werte anbringen, die für uns an Bord wichtig sind. Und die Software lässt sich jederzeit anpassen, um das dann auch darzustellen.

“Seit Inbetriebnahme des EHMS vor ein paar Monaten wurden unter anderem schon Sensoren zur Vibrationskontrolle installiert sowie an einem der Motoren ein Sensor zur Kontrolle der Ölqualität. Als Nächstes sollen auf einzelnen Zylindern Klopfsensoren folgen. „Anhand von festgelegten Grenzwerten können Unregelmäßigkeiten in Zukunft frühzeitig erkannt werden“, erläutert der Leitende Ingenieur. „Die übrigen drei Motoren werden jetzt auch mit Ölsensoren ausgestattet.“ Aktuell hat er auf seinem Laptop den Kurbelgehäusedruck in den Blick genommen. Während die Werte von drei der Motoren in einem sehr ähnlichen Bereich liegen, reißt der Wert der inneren Steuerbordmaschine nach oben aus. „Vielleicht ist nur der Sensor defekt“, vermutet Deckert, „darum werde ich ihn testweise nach Backbord innen umsetzen. Wenn der Fehler bleibt, müssen wir auf Ursachensuche gehen.“  

Andreas Deckert ist Chief Engineer auf dem Halunder Jet. Bald wird er auf seiner Brücke die Möglichkeit haben, jederzeit auf die Live-Daten von mtu NautIQ Foresight zurückzugreifen.

Lösungen von der Brücke zum Propeller  

Die Phase der Eingewöhnung an das neue System ist auf dem Pilotschiff erfolgreich verlaufen. Nun geht es darum, sukzessive weitere Funktionalitäten zu ergänzen und schließlich das volle Potenzial von  mtu  NautIQ Foresight auszuschöpfen. „Wir sind froh, FRS Helgoline als Partner gewonnen zu haben, der uns durch seine regelmäßigen Rückmeldungen die Weiterentwicklung ermöglicht“, betont Bart Kowalinski, Manager Marine Automation bei Rolls-Royce Power Systems. Zwar erscheine es auf den ersten Blick nicht sonderlich komplex, Live-Daten auf einem Schiff zu sammeln: „Aber tatsächlich ist das ein Meilenstein, denn die Qualität der Daten und ihre Kombination in einem einzigen Tool machen  mtu  NautIQ Foresight wirklich besonders.“ Die erfolgreiche Markteinführung untermauere den Anspruch von Rolls-Royce, Lösungen aus einer Hand von der Brücke bis zum Propeller anzubieten. Für Flottenmanager wird Rolls-Royce die Wartungsstrategie digitalisieren und mit datengestützten Vorhersagen kombinieren.  mtu  NautIQ Foresight liefert den Systemstatus auf einen Klick und macht das Verfügbarkeitsmanagement so einfach wie nie zuvor.

Dabei ist NautIQ Foresight Teil eines kompletten Schiffsautomations-Portfolios mit dem Namen  mtu  NautIQ, das eine Reihe von neuen und bewährten Plattformmanagement- und Schiffskontrollsystemen für Schiffe aller Art und Größe umfasst. Für die Zukunft seien Erweiterungen der Produktfamilie geplant, berichtet Kowalinski. „Wir haben jetzt ganz neue Möglichkeiten zur intelligenten Crew-Unterstützung, autonomen Steuerung und Fernbedienung“, sagt er und nennt beispielhaft einen virtuellen Co-Piloten, der eine präzisere Navigation ermöglicht. Ein anderes neues Produkt erlaube etwa einem Schlepper-Kapitän das Steuerhaus zu verlassen und sein Schiff von einem Standort mit besserer Sicht zu manövrieren, was unter anderem die Sicherheit und die Effizienz verbessere. „Wir bauen kontinuierlich unsere Kompetenz als Lösungsanbieter aus und generieren damit echten Mehrwert für unsere Kunden.“  

Künstliche Intelligenz schafft neue Möglichkeiten

Zu den weiteren Vorteilen des neuen EHMS an Bord des „Halunder Jet“ zählt Kowalinski die Tatsache, dass die generierten Daten nicht mehr nur an Bord verfügbar sind, sondern zusätzlich auch an Land – wo zum Beispiel der Flottenmanager und der Superintendent jederzeit damit arbeiten können. Es sind bereits Komponenten von anderen Herstellern mit einbezogen, wie ZF-Getriebe.   „Und wenn wir erst genügend Daten gesammelt und ausgewertet haben, können wir Künstliche Intelligenz einsetzen und das System mithilfe von maschinellem Lernen automatisch erkennen lassen, wenn etwas nicht mehr im grünen Bereich ist.“ Als Beispiele nennt er die Berechnung der Restlebenszeit von Injektoren oder Vorschläge zur situationsbedingten Anpassung der Geschwindigkeit, um eine möglichst kraftstoffsparende Fahrt zu erreichen. „Da gibt es ganz viele Ansätze, wie wir mit KI zusätzlichen Mehrwert schaffen können“, ist Bart Kowalinski überzeugt.

FRS-Flottenmanager Jörg Erdtmann zeigt sich mit den bisherigen Erfahrungen sehr zufrieden. „Unsere aktuellen Hauptziele sind die Schadensprävention und das Einsparen von Brennstoff“, macht er deutlich, „und da sind wir auf einem guten Weg.“ Er gehe davon aus, dass für die bisher schon mit Sensoren ausgestatteten Komponenten zeitnah Grenzwerte bestimmt und Alarmwerte programmiert werden könnten: „Und dann schickt das System beim Überschreiten dieser Werte automatisch Alarme aufs Handy und ermöglicht uns per Schnellzugriff eine rasche Diagnose.“ Für die nähere Zukunft seien unter anderem noch eine Leistungsmessanlage und eine Ultraschallüberwachung mittels Klopfsensoren der einzelnen Zylinder in Vorbereitung. Erdtmann ist für eine Flotte von aktuell 72 Schiffen weltweit zuständig und kann sich gut vorstellen, den Einsatz von  mtu  NautIQ Foresight in Zukunft zu erweitern. „Es ist schon sehr hilfreich, wenn Flottenmanager, Inspektor und die Crew Zugriff auf dieselben Daten haben“, meint er. „Wir können die Dinge dann direkt diskutieren und schnell und unkompliziert Lösungen finden.“

Über mtu NautIQ Foresight können Flottenmanager, Inspekteure und die Crew weltweit Zugriff auf dieselben Daten haben.

„Alles läuft so, wie es soll“

Zurück auf der Brücke des „Halunder Jet“. Die Hafenanlage von Helgoland ist in der Ferne schon zu sehen. Andreas Deckert ist seit der ersten Stunde des Highspeed-Katamarans mit dabei, aber langweilig wird ihm die Strecke nie. „Die See und die Weite sind einfach meins“, sagt er, „da komme ich runter. Deswegen liebe ich den Job so.“ Während der Fahrt überwacht er von der Brücke aus den Maschinenraum, während des Aufenthalts auf der Insel erledigt er anfallende Arbeiten an Bord. Heute stehen der Wechsel eines Ölfilters und kleinere Arbeiten an einem Hilfsmotor an. „Keine besonderen Vorkommnisse“, berichtet der Chief Engineer entspannt. „Alles läuft so, wie es soll.“ Und so können die Fahrgäste auch an diesem Tag gewiss sein, am Abend pünktlich und sicher wieder in Cuxhaven und in Hamburg anzukommen.

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