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Wohltemperiert

Veröffentlicht am 09 Dezember 2015 von Alina Welsen, Bilder von Adam Wist

Überschüssige Wärme muss schnell und zuverlässig über den Kühlkreislauf abgeleitet werden. Eine Aufgabe, für die Wasser wie geschaffen ist.
Friedrichshafen, Germany

Flammentemperaturen von über 2.000 Grad Celsius, die bei der Verbrennung von Dieselkraftstoff entstehen, bringen Zylinderkopfe, Kolben und andere Motorteile an ihre Belastungsgrenzen. Daher muss überschüssige Wärme schnell und zuverlässig über den Kühlkreislauf abgeleitet werden. Eine Aufgabe, für die Wasser wie geschaffen ist – Wasser und ein bisschen mehr.

Über Jahre hinweg vollbringt es im Verborgenen seinen Dienst und legt täglich hunderte Kilometer zurück. Nur selten wird es beachtet, obwohl es für den Motor und den Motorbetrieb überlebenswichtig ist: das Kühlwasser, ein Gemisch aus Wasser, Korrosionsschutzmittel und je nach Bedarf Frostschutzmittel. Es ist ein Multitalent mit vielen Fähigkeiten, das dafür sorgt, dass Motorenbauteile nicht überhitzen. Aber auch bei der Verbrennung kommt ihm eine wichtige Rolle zu: Es kühlt die Ladeluft, die in den Brennraum strömt, von über 250 Grad Celsius auf 50 Grad Celsius herunter. Das bringt nicht nur mehr Leistung, sondern hilft auch, Stickoxidemissionen zu reduzieren.

Mit 10 km/h durch den Motor


Es ist früh am Morgen. Die Sonne geht langsam auf und der Arbeitstag für den 2.240 Kilowatt (3.000 PS) starken Muldenkipper beginnt. Der Fahrer dreht den Zündschlüssel und schon fährt der 16-Zylinder-Motor der Baureihe 4000 mit einem satten Brummen hoch. Zeit für das Kühlwasser, die Arbeit aufzunehmen. Mit einem Druck von 1,5 bar setzt eine Kühlwasserpumpe rund 250 Liter in Bewegung. Im geschlossenen Kühlkreislauf strömt das Wassergemisch durch die neun Zentimeter dicken Leitungen aus Grauguss. Zunächst fließt es zum Ölkühler, zur Zylinderlaufbuchse und in den Zylinderkopf. Weiter geht es über andere thermisch stark beanspruchte Bauteile wie Abgasturbolader und, bei Fahrzeugen, die die amerikanische Emissionsstufe EPA Tier 4 erfüllen müssen, zum Abgasrückführkühler. „Das Kühlwasser erreicht Temperaturen von 105 Grad Celsius, bei militärischen Motoren sind sogar Höchsttemperaturen von 130 Grad Celsius möglich, da das Wasser mit einem Druck von vier bar durch den Kühlkreislauf gepumpt wird”, erklärt Ralf Speetzen, Teamleiter bei mtu für Hydraulik und Verbrennungssimulation. „Oberstes Ziel ist, dass das Kühlwasser nicht kocht, denn das überhitzt die Bauteile und schadet dem Korrosions- und Frostschutzmittel“, so Speetzen. Damit das nicht passiert, muss das Wassergemisch wieder abgekühlt werden – eine Aufgabe für den Motorkühler. Durch zahlreiche Kupferlamellen bahnt sich das Kühlmittel den Weg durch den Kühler. Über zwei mal drei Meter groß, befindet er sich an der Stirnseite des Muldenkippers. Anders als bei Pkw-Motoren, die den Fahrtwind nutzen, sorgt ein Lüfterrad mit einem Durchmesser von zwei Metern für kalte Luft, die die Wärme mitnimmt. Auf 60 Grad Celsius bis 30 Grad Celsius abgekühlt, verlässt das Kühlwasser schließlich den Motorkühler und fließt zurück zur Pumpe. Eine neue Runde beginnt.

Das Kühlsystem besteht bei diesem Motor aus zwei getrennten Kreisläufen – einem Hochtemperatur- und einem Niedertemperatur-Kreislauf. Im Hochtemperatur-Kreislauf fließt das Kühlwasser nach der Pumpe zunächst in den Ölkühler (1), anschließend in verschiedene Motorkomponenten wie Zylinderlaufbuchsen und Zylinderköpfe (2) und dann in den zweiteiligen Abgasrückführkühler (3). Der unabhängige Niedertemperatur-Kreislauf führt das Kühlwasser parallel in die beiden Ladeluft-Zwischenkühler (4) und in den Ladeluftkühler (5). Beide Kühlwasserströme werden schließlich über Rohrleitungen (6) zum Motorkühler (nicht abgebildet) geführt, wo sie die aufgenommene Wärme an die Umgebungsluft abgeben. Die kalte Umgebungsluft wird dazu vom Lüfterrad (7) zum Motorkühler geleitet.

Seewasser statt Luft

Eine Sonderrolle nehmen Schiffsmotoren ein: Viele von ihnen nutzen Seewasser zum Kühlen des Kühlmittels. Eine zusätzliche Pumpe fördert das Wasser aus etwa einem Meter Tiefe direkt zum Motorkühler. Dort nimmt es die Wärme des Kühlmittels auf und fließt anschließend zurück ins Meer oder in den See. „Gefährlich sind Salze und Verunreinigungen im Wasser. Salze lagern sich ab 48 Grad Celsius ab und greifen die Bauteile an. Dreck im Wasser kann zu Verstopfungen der Pumpe oder der Leitungen führen. Beides wirkt sich negativ auf den Wärmeaustausch aus“, erläutert Helmut Rall, mtu-Fachexperte für Kühlsysteme. „Damit das nicht passiert, bestehen alle Bauteile, die mit Seewasser in Kontakt kommen, aus einer widerstandsfähigen Bronze. Zudem ist die Pumpe so groß wie möglich, aber so klein wie notwendig, um den begrenzten Bauraum optimal zu nutzen“, fügt Rall hinzu.

Seewasserkühlung eignet sich aber nicht für alle. „Für Schiffe, die in verunreinigten Gewässern unterwegs sind, ist die Kühlung über die Außenhaut des Schiffes sinnvoll. Beispielsweise bei Binnenschiffen oder Schleppern sind Kühlwasser-Leitungen direkt innen am Schiffsrumpf angebracht. So wirkt die Schiffswand wie ein großer Kühler“, erläutert Speetzen.

Wasser – für die Kühlung wie gemacht

Wasser in seinen verschiedenen Variationen und Bestandteilen ist und bleibt das Kühlmittel Nummer eins. Wie kein anderes Medium nimmt es große Mengen Wärme auf, bevor es selbst erhitzt. Auch ist es überall verfügbar, kostenneutral und versursacht keine Emissionen – es ist eben ein Multitalent mit vielen guten Eigenschaften.

Der Inhalt der Beiträge entspricht dem Stand zum jeweiligen Erscheinungsdatum. Sie werden nicht aktualisiert. Weitergehende Entwicklungen sind deshalb nicht berücksichtigt.

Kontakt

Helmut Rall
Tel.:
+49 7541 90 3522
E-mail:

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