Sauber unterwegs mit dem mtu-Gasmotor

Auf der Schifffahrtsmesse SMM in Hamburg hatte Rolls-Royce im September 2016 seine mtu-Gasmotoren erstmals vorgestellt. Der neue Antrieb für Schlepper, Fähren, Schubboote und Spezialschiffe ist der erste schnelllaufende reine Gasmotor, der einen Festpropeller direkt antreiben kann und damit ein dynamisches Beschleunigungsvermögen hat. Er unterschreitet die Stickoxid-Grenzwerte der aktuellen IMO III-Emissionsrichtlinie auch ohne Abgasnachbehandlung. Er emittiert keine Schwefeloxide und die Partikelmasse liegt unter der Nachweisgrenze.

Die ersten Vorserienmotoren der 16-Zylinder-Version wurden bereits Ende 2017 an die Werft Strategic Marine in Vietnam für zwei Katamarane der niederländischen Reederei Doeksen ausgeliefert. Im Sommer 2020 hat die erste der beiden Passagierfähren der Rederei Doeksen, die Willem Barentsz, ihren Betrieb aufgenommen, Anfang 2021 Schwesterschiff Willem de Vlamingh. Die Reederei der süddeutschen Stadtwerke Konstanz erhielt Ende 2019 die ersten Gasmotoren der 8-Zylinder-Version für eine neue Bodenseefähre, die Ende 2021 in Betrieb genommen wird. Rolls-Royce hat außerdem erste Gasmotoren für einen Hafenschlepper mit Hybridantrieb ausgeliefert. Die Hochschule Flensburg nutzt die Vorteile dieses Motors für ein Energiewende-Forschungsprojekt, das sich mit den Fähigkeiten von Windanlagen für die Netzstützung befasst.  

Verbrennungskonzept ermöglicht Einhaltung der IMO-III-Abgasnorm ohne Abgasnachbehandlung

Der neue mtu-Gasmotor basiert auf dem bewährten mtu-Dieselmotor der Baureihe 4000 M63 für Arbeitsschiffe. Die Motoren werden in der 8-Zylinderversion mit einer Leistung von 746 kW und als 16-Zylinderversion mit einer Leistung von 1.492 kW angeboten. Besonders geeignet sind die Gasmotoren für Schlepper, Fähren, Schubboote und Spezialschiffe wie Forschungsboote.

Kraftstoffverbrauch, Emissionen, Sicherheit und Beschleunigung waren von Beginn an im Fokus der Entwicklung. Die neuen mtu-Gasmotoren wurden mit einer Multipoint (Mehrpunkt)-Gaseindüsung, einer dynamischen Motorsteuerung und einer weiterentwickelten Turboaufladung ausgestattet. Die Multipoint-Gaseindüsung sorgt für ein dynamisches Beschleunigungsvermögen und für eine Reduzierung der Emissionen. Das Verbrennungskonzept ermöglicht die Einhaltung der IMO-III-Abgasnormen ohne zusätzliche Abgasnachbehandlung. Die geregelte Verbrennung sorgt auch für einen effizienten Kraftstoffeinsatz. Zum Einsatz kommt eine einstufige Turboaufladung mit zwei parallel betriebenen Abgasturboladern. Bei den hocheffizienten Turboladern handelt es sich um die dritte Generation der ZR-Baureihe. Das Aufladesystem verfügt zudem über einen steuerbaren Verdichterbypass und ein Ansaugdrosselungskonzept. Der Motor verfügt so im gesamten Drehzahlbereich über ausreichende Leistungsreserven für schwierige Fahrmanöver. Dank der doppelwandigen Ausführung des Gassystems kann der Maschinenraum dieselähnlich ausgeführt werden. Der mtu-Gasmotor ist konform mit dem offiziellen internationalen IGF-Code ("gas-safe Maschinenraum") der IMO.

Nachhaltige Antriebe für Naturschutzgebiet Wattenmeer

„Auch wenn weltweit gerade die Corona-Pandemie im Fokus steht, dürfen wir die Umwelt nicht vergessen. In der maritimen Industrie brauchen wir nachhaltige Lösungen, die die Schadstoff-Emissionen reduzieren. Ich freue mich, dass wir nun bereits die zweite LNG-Fähre in unsere Flotte aufnehmen können“, erklärte Dirk Spoor, CEO der Reederei Doeksen, anlässlich der Inbetriebnahme der Willem de Vlamingh im Januar 2021 im niederländischen Harlingen. Schon bei den ersten Fahrten im Jahr 2020 fiel als weitere Vorteile der Gasmotoren auf, dass sie besonders leise sind, weder Vibrationen, noch unangenehmen Geruch oder schwarzen Rauch erzeugen.

Die neue, 70 Meter lange Fähre besteht genau wie ihr Schwesterschiff komplett aus Aluminium. Dadurch ist sie leichter und verbraucht weniger Kraftstoff als konventionelle Fähren. Die 16-Zylinder-mtu-Gasmotoren der Baureihe 4000 bringen eine Leistung von jeweils 1492 kW auf, die Fähre erreicht damit eine Höchstgeschwindigkeit von 14 Knoten. Die bestehende Flotte kann die Verstärkung gut gebrauchen - jährlich möchten rund 800.000 Menschen von Harlingen auf dem niederländischen Festland bis zu den rund 30 Kilometer entfernten Inseln Vlieland und Terschelling auf der Nordsee im Naturschutzgebiet Wattenmeer hin und zurückbefördert werden. Das Wattenmeer wurde 2009 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.

Reederei Doeksen strebt Umstieg auf Biogas an

Betrieben wird das Schiff zunächst mit flüssigem Erdgas (LNG), die Reederei sieht das als eine Art Übergangsbrennstoff. Zukünftig – sobald die notwendige Infrastruktur dafür geschaffen ist – möchte sie auf nachhaltigeres Bio-LNG oder LBG (Liquified Bio Gas) umsteigen. Ein Restwärme-Rückgewinnungssystem sorgt bereits jetzt dafür, dass die Wärmeenergie sowohl aus dem Kühlsystem des Motors als auch aus den Abgasen genutzt wird. Zwei Orcan-Einheiten liefern zudem den gesamten elektrischen Energiebedarf des Bugstrahlrudersystems und decken einen Teil des normalen elektrischen Bedarfs an Bord.

„Wir sind stolz darauf, dass die Reederei Doeksen unsere neuen Gasmotoren ausgewählt hat, um ihre Schiffe umweltfreundlich auf dem als besonders schützenswert ausgezeichneten Wattenmeer zu betreiben“, erklärt Denise Kurtulus, Leiterin des Marinegeschäfts bei Rolls-Royce Power Systems. „Gemeinsam mit unserem Partner setzen wir so alles daran, die maritime Energiewende voranzutreiben.“

8-Zylinder-Version für neue Bodenseefähre

Eine weitere Fähre mit den neuen mtu-Gasmotoren wird Anfang 2022 im süddeutschen Konstanz in Betrieb genommen. Die Stadtwerke Konstanz betreiben dort eine Bodensee-Fährflotte mit insgesamt 6 Schiffen, die täglich rund um die Uhr zwischen den beiden Ufern hin- und herpendeln. Das Unternehmen erhielt Ende 2019 die ersten Gasmotoren der 8-Zylinder-Version mit einer Leistung von 746 Kilowatt für das erste gasbetriebene Flottenmitglied. Das 82,5 Meter lange Schiff mit einer Kapazität von 62 Fahrzeugen und 700 Personen ist derzeit im Bau.

Rolls-Royce liefert mtu-Gasmotoren für weltweit ersten LNG-Schlepper mit Hybridantrieb

Zwei mtu-Gasmotoren des Typs 16V4000M55RN lieferte Rolls-Royce an Sembcorp Marine Integrated Yard für den Bau des weltweit ersten Schleppers mit LNG (Liquefied Natural Gas)-Hybridantrieb. Der Hafenschlepper wird in Singapur von Jurong Marine Services, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft von Sembcorp Marine, betrieben. Der neue LNG-Hybridschlepper ist der erste von 12 Schleppern, die Sembcorp Marine plant, zu entwerfen und zu bauen, um die bestehenden dieselbetriebenen Schlepper in den Jahren bis 2025 zu ersetzen.

Dies ist weltweit der erste LNG-Hybridschlepper, der mit mtu-Gasmotoren angetrieben wird. Der LNG-Hybridschlepper wurde von LMG Marin (Norwegen), Teil der Sembcorp Marine-Gruppe, für die Lieferung von 65 Tonnen Pfahlzug mit ABS-Klasse konstruiert und wird voraussichtlich im späteren Verlauf des Jahres 2021 fertig gestellt sein. Das Hauptantriebssystem des Schleppers besteht aus zwei 16-Zylinder-Gasmotoren der mtu-Baureihe 4000, die zusammen eine Gesamtleistung von 2.984 Kilowatt bei 1.600 Umdrehungen pro Minute (U/min) liefern werden. Das LNG-Hybrid-Antriebssystem wird in der Lage sein, flexibel auf verschiedene Betriebsmodi einzugehen und zwischen emissionsarmen LNG-Motoren und emissionsfreier Batterieleistung umzuschalten.

Hochschule Flensburg nutzt mtu-Gasmotor für Energiewende-Forschungsprojekt

An der Hochschule Flensburg in Norddeutschland wird ein Teststand zur Simulation einer Windenergieanlage aufgebaut, für den ein 8-Zylinder-mtu-Gasmotor zum Einsatz kommt. Der Gasmotor treibt einen Generator an, dessen erzeugte Stromleistung über einen Transformator und eine Mittelspannungsschaltanlage in das lokale Netz der Stadtwerke Flensburg eingespeist wird. Diese Komponenten bilden den Aufbau einer Windenergieanlage nach. Mit dem Emulator wird erforscht, inwieweit Windanlagen Netzstützung gewährleisten und netzstabilisierende Aufgaben im Falle von Störfällen im Netz übernehmen können.

Gasmotor Teil des Green- und Hightech-Programms von Rolls-Royce

Der neue Gasmotor ist Teil des Green- und Hightech-Programms von Rolls-Royce. Damit investiert das Unternehmen gezielt in umweltfreundliche Zukunftslösungen für weniger Schadstoffausstoß und geringeren Energie- und Rohstoffverbrauch. Rolls-Royce konzentriert sich im Green- und High-Tech-Programm auf Effizienzsteigerung, alternative Kraftstoffe, Elektrifizierung, Digitalisierung und integrierte Systemlösungen, mit dem Ziel, gesamte Antriebs- und Energie-Erzeugungssysteme anzubieten.