STORY Kommerzielle Schifffahrt

Neuer Antrieb für den Thunersee

Veröffentlicht am 24 September 2018 von Miriam Jesenik, Bilder von Robert Hack, Christoph Hurni

Im Sommer befördert sie Touristen von Thun nach Interlaken. Im Winter bekam die MS Berner Oberland zwei neue mtu-Motoren.
Thunersee, Schweiz

Im Sommer ist der Thunersee ein beliebtes Schweizer Tourismusgebiet. Im Winter, wenn die Touristen dem See den Rücken kehren, dann geht die Saison in der Werft der BLS AG erst richtig los. Dieses Jahr bekam das Motorschiff Berner Oberland, das zwischen Thun und Interlaken verkehrt, eine Generalüberholung sowie zwei neue mtu-Motoren.

Ein warmer Sommertag am Thunersee. Es weht ein lauer Wind, immer wieder schieben sich vereinzelt Wolken zwischen die warmen Sonnenstrahlen. Das Berner Dreigestirn Eiger, Mönch und  Jungfrau sowie das  Blüemlisalpmassiv ragen neben dem See empor. Sie wirken fast so nah, als könnte man sie mit den Händen greifen. Überall tummeln sich Touristen. Die Ausflugsschiffe sind voll mit Menschen in kurzen Hosen, Sommerkleidern und Hüten. Das Wasser glitzert von der Reflexion der Sonne. Es herrscht Urlaubsstimmung.

Die gleiche Szene, ein paar Monate zuvor. Der Winter neigt sich gerade dem Ende zu, hier und da kämpfen sich ein paar Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke. Es hat frische 10 Grad. Noch steht die Sonne so schräg und blendet stark, sodass man kaum etwas von dem schönen Panorama erkennen kann. Der See wirkt einsam leer, wie ausgestorben. Das Wasser schimmert Türkis – eine Färbung wie in der Karibik. Im Winter wird der See so kalt, dass alle Algen abfrieren und so das türkisfarbene Wasser entsteht.

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Neue Motoren für die „MS Berner Oberland“


An einer kleinen Bucht des Sees, ganz in der Nähe des Ortes Thun, liegt die neue Werfthalle des Verkehrsunternehmens BLS AG. Der Holzbau wurde erst Anfang des Jahres fertiggestellt. Er ersetzt seinen 111-jährigen Vorgänger, in dem noch das älteste Schiff des Sees zusammengebaut wurde: Der Schaufelraddampfer „DS Blümlisalp“. Betritt man das Gebäude, riecht es wie in einem frisch renovierten Haus: nach Holz und nach Farbe. In der Mitte der Halle ist das Kursschiff „MS Berner Oberland“ aufgebockt. Es bekommt nach 21 Jahren  im Betrieb unter anderem ein neues Steuerhaus und einen neuen Heck-Fahrstand, neue Antriebswellen der Propeller sowie eine neue Elektronik. Außerdem werden die bisherigen Detroit-Diesel-Motoren mit über 24 000 Betriebsstunden durch zwei 12V 2000 M61 mtu-Motoren ersetzt. „Wir sind mtu-Fan“, sagt der Werftleiter der BLS AG, Hans Stucki. Die MS Berner Oberland ist das erste Schiff der Flotte, das neue Motoren erhält. Insgesamt unterhält die BLS AG zehn Schiffe auf dem Thuner- und dem Brienzersee. Auf der MS Brienz, die auf dem Brienzersee zwischen Interlaken und Brienz fährt, sind bereits zwei mtu-Motoren eingebaut. „mtu bietet ein Serviceintervall von über 1.200 Stunden. Das kann kein anderer Motorenlieferant leisten“, betont Stucki.  Auf seine äußere Verwandlung muss das Schiff noch ein paar Jahre warten. Erst dann ist genug Geld da, um die Innenräume zu renovieren, den grünen Teppichboden rauszureißen und das Schiff neu anzustreichen. 

Im Winter ist in der Werft Hochbetrieb


Seit Anfang Januar liegt die MS Berner Oberland im Trockendock. „Die Besatzung auf dem Schiff macht im Sommer keinen Urlaub, bei mir ist es umgekehrt“, erklärt Stucki. Im Winter arbeitet er meist zehn Stunden pro Tag. Sein Wecker klingelt früh, denn er muss schon um 6:20 Uhr in der Werft sein. Dort ist der Werftleiter für rund 40 Mitarbeiter zuständig. Bis sie um 7:20 Uhr eintreffen, bereitet er alles vor: Was steht heute an? Wer soll was tun? Wenn seine Mitarbeiter dann um 16 Uhr nach Hause gehen, ist für ihn noch nicht Schluss. Mindestens bis 17 Uhr muss er die externen Firmen, die etwa die CO2-Löschanlage oder die Hydraulik einbauen, betreuen. Dann geht auch sein Tag zu Ende. „Im Winter mache ich mehr als einen Monat Überstunden“, erklärt Stucki. Er wirkt nicht so, als ob ihm das etwas ausmacht.

  

  

Saisonbeginn im Mai


Die größte Herausforderung beim Einbau der Motoren war, dass es keine Pläne vom Schiff gab, deren Maße gestimmt haben. Deshalb konnte das Schiff erst für die neuen Motoren hergerichtet werden, als die alten ausgebaut waren. Damit sie durch die Luke des Schiffes passen, musste beim Einbau das Getriebe vom Motor getrennt und dann im Maschinenraum wieder zusammengesetzt werden. Bis die Motoren angeschlossen und funktionsfähig sind, dauert es rund zwei Wochen. Doch erst wenn die Halle geflutet wird, können die Motoren und das mtu-Automationssystem Blueline getestet werden. Dann strömen rund 4,5 Millionen Liter Wasser in das 68 Meter lange und 16 Meter breite Trockendock – so viel wie rund 30 000 gefüllte Badewannen.
Seit Anfang Mai befördert die MS Berner Oberland nun Touristen zwischen Thun und Interlaken. Pro Tag laufen die Motoren im Kursverkehr rund fünf Stunden. Außerdem sind sie im Einsatz, wenn das Schiff abends oder an Feiertagen für private Feste gemietet wird. Mit einer Leistung von 600 kW im Vergleich zu je 490 kW der alten Detroit-Diesel-Motoren, muss das Personal jedoch erst auf das neue Fahrverhalten geschult werden.

  

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