Common-Rail-Einspritzung: Schlüsseltechnologie für eine saubere und sparsame Verbrennung
Veröffentlicht am 01 August 2011
Dr. Johannes Kech
Leiter Entwicklung Aufladung, Einspritzung, Komponenten
Dr. Michael Willmann
Vorentwicklung, L’Orange GmbH
Dr. Philippe Gorse
Teamleiter Motorkonzepte, Komponenten, Systeme
Dr. Manuel Boog
Motorkonzepte, Komponenten, Systeme
Mit der Common-Rail-Einspritzung lässt sich die Verbrennung so optimieren, dass weniger Schadstoffe bei geringerem Kraftstoffverbrauch entstehen. Aus einem unter hohem Druck stehenden gemeinsamen Verteilerrohr (Common Rail) wird der Kraftstoff in den Brennraum eingespritzt. Durch die elektronische Steuerung können Einspritzbeginn, -menge und -verlauf unabhängig von der Motordrehzahl erfolgen. Als erster Hersteller von Großdieselmotoren führte mtu 1996 bei der Baureihe 4000 serienmäßig Common-Rail-Einspritzung ein.
Pionier beim Common-Rail-Einspritzsystem
Die Emissionsvorschriften für Dieselmotoren in Anwendungen wie Schiffen, Zügen und schweren Landfahrzeugen sowie Stromaggregaten werden weltweit strenger und machen umfangreiche Modifikationen an den Antrieben erforderlich. Gleichzeitig wünschen die Kunden Motoren mit immer weniger Kraftstoffverbrauch. Abgasnachbehandlungssysteme wie SCR-Katalysatoren (selective catalytic reduction, kurz: SCR) oder Dieselpartikelfilter sind ein Weg zur Emissionsreduzierung, verursachen aber zusätzlichen Bauraumbedarf und erhöhen potenziell den Wartungsaufwand des Antriebs. Daher setzt mtu bei der Emissionsreduzierung vorrangig auf Optimierungen im Inneren des Motors. Die Kraftstoffverbrennung im Motor wird dabei so verbessert, dass Emissionen möglichst gar nicht erst entstehen. Falls erforderlich, setzt mtu in einem zweiten Schritt zusätzliche Abgasnachbehandlungssysteme ein, um verbleibende Schadstoffbestandteile aus dem Abgas zu entfernen.
Im Rahmen der innermotorischen Optimierung ist neben der Abgasrückführung das Einspritzsystem ein wichtiger Stellhebel für eine saubere Kraftstoffverbrennung: Es muss den Kraftstoff zum richtigen Zeitpunkt mit hohem Druck einspritzen und dabei die Kraftstoffmenge so genau wie möglich dosieren, um die notwendigen Bedingungen für eine schadstoffarme Verbrennung im Zylinder zu erzeugen. Mit einer präzisen Kraftstoffdosierung bei hohem Druck lässt sich auch der Kraftstoffverbrauch deutlich reduzieren. mtu hat daher frühzeitig — seinerzeit noch mit dem Hauptfokus auf sparsamere Motoren — einen Technologiewechsel weg von den konventionellen mechanischen Einspritzsystemen hin zum flexibel elektronisch steuerbaren Common-Rail-Einspritzsystem vollzogen. 1996 hat mtu mit der Baureihe 4000 den ersten Großdieselmotor serienmäßig mit einem Common-Rail-System ausgestattet.
Eine gemeinsame Kraftstoffleitung — das namensgebende „Rail“ — speist alle Injektoren des Motors mit Kraftstoff. Soll in einen Zylinder eingespritzt werden, öffnet das System die Düse des entsprechenden Injektors und der Kraftstoff gelangt vom Rail in den Brennraum, wobei er durch den hohen Druck fein zerstäubt und mit der Luft gemischt wird. Die Common-Rail-Systemkomponenten müssen sehr flexibel und präzise angesteuert werden. mtu setzt dazu das hausintern entwickelte Motormanagement ECU (Engine Control Unit) ein (Abb. 1). Aufgrund der immer strengeren Emissionsnormen bei Motoren aller Leistungsklassen und Anwendungsbereiche wird mtu künftig neu entwickelte Motoren ausschließlich mit einem Common-Rail-Einspritzsystem ausrüsten.
Weniger Emissionen durch Kombination mit anderen Schlüsseltechnologien
Bei der innermotorischen Verbrennungsoptimierung besteht eine dreidimensionale Wechselwirkung zwischen der Stickoxidbildung, der Entstehung von Partikeln und dem Kraftstoffverbrauch: Je intensiver die Verbrennung und damit die Energieumsetzung ist, desto geringer sind Partikelemissionen und Verbrauch, aber desto höher sind auch die Stickoxidemissionen. Umgekehrt führt eine verschleppte Verbrennung zwar zu geringer Stickoxidbildung, dabei steigen aber auch Verbrauch und Partikelemissionen. Die Aufgabe der Motorenentwickler ist, für jeden Betriebspunkt des Motors zwischen diesen Polen einen Kompromiss zu finden. Dabei müssen sie die Wirkung des Einspritzsystems mit der anderer innermotorischer Maßnahmen in Einklang bringen, etwa der Abgasrückführung, die vor allem die Stickoxidemissionen absenkt, sowie der Wirkung von Abgasnachbehandlungssystemen. Als Pionier blickt mtu auf langjährige Erfahrungen mit den Einspritzsystemen der Rolls-Royce Power Systems-Marke L’Orange sowie anderer Zulieferer zurück. In dieser Zeit hat sich mtu eine umfangreiche Kompetenz bei der Integration des Common-Rail-Einspritzsystems in den Motor erworben. Das versetzt das Unternehmen in die Lage, die Potenziale des Einspritzsystems im Zusammenspiel mit den anderen Schlüsseltechnologien bei der Verbrennungsentwicklung optimal zu nutzen. Die beiden Hauptparameter der Einspritzung, die den Verbrauch und die Emissionen beeinflussen, sind der Einspritzverlauf und der Einspritzdruck.
Einspritzverlauf: Vor-, Haupt- und Nacheinspritzung
Der Einspritzverlauf legt fest, zu welcher Zeit wie viel Kraftstoff in den Zylinder eingespritzt wird. Um Emissionen und Kraftstoffverbrauch zu reduzieren, unterteilt die aktuelle Evolutionsstufe des Einspritzsystems von mtu-Motoren die einzuspritzende Kraftstoffmenge pro Arbeitstakt in bis zu drei Portionen (Abb. 2). Deren Anfangspunkt, Länge und Amplitude lassen sich kennfeldabhängig frei variieren: Die Haupteinspritzung liefert den Kraftstoff für die Leistung des Motors. Eine Voreinspritzung initiiert eine vorgelagerte Verbrennung, so dass der Kraftstoff der Haupteinspritzung kontrolliert verbrannt werden kann. Diese senkt die Stickoxidemissionen, da Temperaturspitzen im Zylinder durch eine schlagartige Verbrennung vermieden werden. Eine Nacheinspritzung kurz nach der Haupteinspritzung reduziert die Partikelemissionen. Sie verbessert die Gemischbildung in einer späten Phase der Verbrennung und sorgt für höhere Temperaturen im Brennraum, die die Rußoxidation fördern. Je nach Betriebspunkt kann die Haupteinspritzung flexibel durch Vor- und/ oder Nacheinspritzung ergänzt werden.
Vergleich der Injektorgrößen
Einspritzdruck: Spitzendrücke bis zu 2.200 bar
Der Einspritzdruck hat einen besonders hohen Einfluss auf die Partikelemissionen. Je höher der Einspritzdruck ist, desto besser zerstäubt der Kraftstoff beim Einspritzen und vermischt sich mit dem Sauerstoff im Zylinder. Das führt zu einer nahezu vollständigen Kraftstoffverbrennung mit hohem Energieumsatz, bei der sich nur wenig Partikel bilden. mtu hat daher den maximalen Einspritzdruck der Common-Rail-Systeme beständig erhöht, von 1.400 bar im Jahr 1996 bei der Baureihe 4000 bis aktuell 2.200 bar bei den Motoren der Baureihen 1600, 2000 und 4000 (Abb. 3). Bei der Baureihe 8000 sind es 1.800 bar. Für die nächsten Motorgenerationen plant mtu sogar bis zu 2.500 bar Einspritzdruck. Im selben Zeitraum hat mtu Robustheit und Wartungsfreundlichkeit des Systems weiter erhöht. Ein auf die Anforderungen abgestimmtes Filterkonzept hat das Einspritzsystem noch robuster gegenüber Partikeln im Kraftstoff gemacht. Künftig werden die Wartungsintervalle der Injektoren dank elektronischer Diagnosefunktionen ausgeweitet.
Solitärsystem: Injektoren mit eigenem Kraftstoffspeicher
Aufgrund seiner Leistungsfähigkeit hat sich das Common-Rail-Einspritzsystem bei Pkw-Dieselmotoren in den vergangenen Jahren als Standard etabliert. Auch für Industriemotoren mit kleinerem Zylindervolumen ist das System in der beschriebenen Bauform sehr gut geeignet. Bei Motoren mit größerem Zylindervolumen stößt das konventionelle Common Rail jedoch an seine Grenzen, da hier pro Arbeitstakt relativ viel Kraftstoff in den Zylinder eingespritzt werden muss. Im Kraftstoffspeicher des Common-Rail-Systems führt dies zu Druckpulsationen, die die darauf folgenden Einspritzsequenzen stören können.
Seit dem Jahr 2000 setzt mtu bei den Motoren der Baureihen 4000 und 8000 und seit 2004 auch bei der Baureihe 2000 ein weiterentwickeltes Common-Rail-System ein, bei dem die Injektoren einen integrierten Kraftstoffspeicher tragen (Abb. 4). Sie ermöglichen es, die Kraftstoffleitungen zwischen den Injektoren und dem gemeinsamen Rail mit einem relativ kleinen Querschnitt auszuführen. Während einer Einspritzung sinkt nur der Druck im jeweiligen Einzelspeicher leicht ab. Das verhindert Druckschwingungen im gemeinsamen Rail und damit eine kurzzeitige Unter- beziehungsweise Überversorgung der Injektoren mit Kraftstoff.
Kundenspezifische Lösungen für flexible Kraftstoffnutzung
Mit den höheren technischen Leistungen der Einspritzsysteme steigen auch die Anforderungen an den Kraftstoff in Bezug auf Reinheit und -qualität. So muss der Kraftstoff vorgegebene Viskositäts- und Schmierfähigkeitsgrenzwerte einhalten, da Komponenten der Hochdruckpumpe und des Injektors durch den Kraftstoff geschmiert werden. Auch muss er frei von Verunreinigungen sein, die bei den hohen Drücken zu abrasiven Schädigungen führen würden. Um die einwandfreie Funktion des Motors zu erhalten, darf daher nur Dieselkraftstoff verwendet werden, der für die jeweilige Anwendung zugelassen ist und der gültigen Norm entspricht.
Auf Kundenwunsch führt mtu bei anderen Kraftstoffen in enger Zusammenarbeit mit der Rolls-Royce Power Systems-Marke L’Orange beziehungsweise alternativen Lieferanten Untersuchungen zur spezifischen, anwendungsbezogenen Freigabe durch. So lässt sich beispielsweise bei einigen Anwendungen mangelnde Schmierfähigkeit von Kraftstoffen durch spezielle Beschichtungen im Einspritzsystem kompensieren. Zudem unterstützt mtu die Kunden bei der Auslegung des anlagenseitigen Tankund Kraftstoffsystems. Das ist beispielsweise bei Bergbaufahrzeugen von großem Interesse, die hohen Staubbelastungen ausgesetzt sind.
Zusammenfassung
mtu entwickelt die Motoren so weiter, dass sie die künftigen strengen Emissionsnormen erfüllen und zugleich möglichst wenig Kraftstoff verbrauchen. Dazu optimiert mtu die Kraftstoffverbrennung im Zylinder durch das elektronisch geregelte Common-Rail-Einspritzsystem in Kombination mit weiteren Schlüsseltechnologien wie der Abgasrückführung. Durch eine saubere und effiziente Verbrennung kann der Aufwand für Abgasnachbehandlungssysteme bei mtu-Motoren klein gehalten werden, unter Umständen kann sogar ganz auf sie verzichtet werden. mtu setzt Common-Rail-Systeme schon seit 1996 erfolgreich ein und hat sie zusammen mit der Rolls-Royce Power Systems-Marke L’Orange und weiteren Zulieferern ständig weiterentwickelt. Mit Hilfe der umfangreichen Common-Rail-Systemkompetenz kann mtu das Potenzial der Einspritzung optimal nutzen, um Motoren besonders sparsam und sauber zu machen.
mtu ist eine Marke der Rolls-Royce Power Systems AG. Schnelllaufende mtu-Motoren und Antriebssysteme sind in Schiffen, Schienenfahrzeugen, Landwirtschafts-, Industrie- und Bergbaufahrzeugen, militärischen Fahrzeugen, in Energiesystemen und in der Öl- und Gasindustrie im Einsatz. Das Portfolio umfasst Dieselmotoren mit einer Leistung bis 10.000 Kilowatt (kW), Gasmotoren bis 2.150 kW und Gasturbinen bis 35.320 kW. Für die Steuerung und Überwachung der Motoren und Antriebsanlagen entwickelt und produziert das Unternehmen maßgeschneiderte Elektroniksysteme.
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