STORY Power Generation

Landwirt wird Energiewirt

Veröffentlicht am 30 Januar 2024 von Lucie Maluck, Bilder von Robert Hack

So geht Kreislaufwirtschaft: Die Firma Energor sammelt Speisereste, erzeugt daraus Biogas und betreibt damit zwei mtu-Blockheizkraftwerke. So entsteht elektrischer Strom für rund 2.000 Haushalte. Ein Blick hinter die Kulissen eines smarten Unternehmens.
Das neue Biogas-System mtu Baureihe 4000
Unsere Stromaggregate kombinieren höchste Leistung mit niedrigsten Emissionen im Leistungsbereich von 762 kWe bis 2.547 kWe.
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„Für irgendwas ist alles gut.“ Das ist die Philosophie von Matthias Preußner, Geschäftsführer und Gesicht von Energor. Das Unternehmen aus dem hessischen Friedberg nördlich von Frankfurt macht – kurz zusammengefasst – aus Speiseresten Strom und Wärme. Seit über 20 Jahren nutzt es dafür Blockheizkraftwerke (BHKW) aus dem Hause Rolls-Royce (und dessen Vorgängerunternehmen). Aktuell betreibt Energor zwei mtu-Gas-Blockheizkraftwerke vom Typ 8V 4000 GS mit je 800 Kilowatt Leistung.  

Speisereste riechen nicht immer angenehm. Sie sehen auch nicht schön aus – vor allem dann nicht, wenn sie alle in einem Becken zu Brei zusammengemischt werden. Doch sie sind wertvoll. Den wahren Wert hat schon der Vater von Matthias Preußner Anfang der 1990er Jahre erkannt. Damals war Matthias Preußner noch ein Kind und sein Vater Gerd war Landwirt. Er fütterte, wie damals üblich, seine Schweine auch mit Speiseresten. Doch was tun mit diesen, wenn die Schweine weniger hungrig sind?    

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Von der Landwirtschaft zur Energiewirtschaft

Die Idee von Vater Preußner: Aus den Speiseresten sollte Biogas werden, mit denen er ein Blockheizkraftwerk betreiben wollte, das damit Strom und Wärme erzeugt. Aus der Idee wurde im Jahr 1995 mit der Gründung der Energor GmbH Realität und so baute Vater Preußner sein landwirtschaftliches Unternehmen im Laufe vieler Jahre zu einem Unternehmen zur Verwertung von Speiseresten um. Heute leitet Matthias Preußner die Firma, sein Vater und rund 30 Mitarbeiter unterstützen ihn.  

Schweine haben die Preußners nicht mehr. Doch Traktoren sieht man auf dem Gelände einige, wenn auch in einiger Entfernung. „Wir betreiben nach wie vor Ackerbau auf über 200 Hektar Land“, erklärt Matthias Preußner. Auch heute ist sein Vater wieder auf den Feldern unterwegs, die Maisernte steht an. Doch der Haupterwerb der Familie ist jetzt die Energieproduktion. Aus 18.000 Tonnen Speiseresten werden im Jahr drei Millionen Normkubikmeter Biogas. Daraus erzeugen die Preußners mit zwei mtu-Gas-Blockheizkraftwerken insgesamt 7,5 Millionen Kilowattstunden elektrische Energie. Das reicht, um damit ein ganzes Dorf mit knapp 2.000 Haushalten zu versorgen.  

Matthias Preußner ist das Gesicht der Fima Energor, einem Unternehmen, das mithilfe zweier mtu-Blockheizkraftwerke aus Speiseresten Energie herstellt.

Lkw holen Speisereste ab

Jeden Morgen strömt eine Flotte von Lkw – dank ihrer roten Farbe auf Friedbergs Straßen kaum zu übersehen – vom Gelände aus in die nähere Umgebung, maximal 50 Kilometer weit. Sie fahren zu Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, Altenheimen, Restaurants – überall dorthin, wo Speisen übrigbleiben. Dort nehmen sie volle Speiserestetonnen mit und lassen leere da. „Für unsere Kunden ist das maximal einfach: Wir sind quasi ihre Müllabfuhr, die im Bedarfsfall auch täglich vorbeikommt“, erklärt Matthias Preußner.  

Den ganzen Vormittag über, immer nach und nach, kommen nun die roten Lkw zurück auf das Gelände von Energor. Sie fahren ein durch das beinahe herrschaftliche Tor des Preußner-Anwesens, vorbei an Matthias Preußners Elternhaus zum Sammelbecken. Dort wird dann sichtbar, was die Lkw eingesammelt haben. Denn die Tonnen werden geleert und alle Speisereste in einem Annahmebecken gesammelt. Der Geruch aus dem Inneren einer Biotonne ist nichts gegen das, was einen hier erwartet. Und auch der Anblick ist nicht gerade zum Genießen. Denn die Speisereste – Paprika, Eier, Kaffeefilter, Fleisch, Nudeln, Reis, Kartoffeln und was sonst noch alles nicht gegessen wurde – werden mit einer Trennmühle vermischt. Hinzu kommen auch weitere Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist: Backabfälle, Backmischungen, Getränke und manchmal auf Süßigkeiten.  

Gibt es eine spezielle Rezeptur für das bräunliche, zähfließende Speisereste-Gemisch? „Eigentlich nicht“, erklärt Matthias Preußner. Wichtig sei die Fließfähigkeit der Mischung und die kann er vor allem über die überlagerten Lebensmittel beeinflussen. „Wenn die Mischung zu flüssig ist, schütten wir abgelaufenes Mehl dazu“, sagt der Hobbykoch schmunzelnd.  

Aus Speiseresten entsteht Biogas für Blockheizkraftwerke

Der Lebensmittelbrei wird nun bei 70 Grad eine Stunde lang hygienisiert, von nicht-organischen Stoffen bereinigt, und dann dem Fermenter zugeführt. Dort setzen Mikroorganismen die enthaltenen Kohlenhydrate, Eiweiße und Fetten in Methan um. Im Fermenter wird der Mischung noch Eisenhydroxid zugeführt, um den Schwefelwasserstoff zu eliminieren.  

Jetzt dauert es etwa 100 Tage, in denen aus den Speiseresten im Fermenter Biogas entsteht. Dieses wird über Aktivkohlefilter in eines der beiden mtu-Blockheizkraftwerk geleitet und erzeugt mit jeweils 800 Kilowatt elektrischer Leistung Strom und Wärme – und das mit großer Zuverlässigkeit.  

„Innerhalb von sechs Wochen war der Ersatzmotor da“

Denn neben den guten technischen Werten lobt Matthias Preußner vor allem den Rolls-Royce-Service, der ihm schon oft geholfen hat. Besonders präsent ist ihm dabei ein Motorschaden zu Beginn des Jahres 2023: „Da haben wir den Motorraum mit Ad Blue geflutet“, sagt er scherzhaft, wird dann aber schnell wieder ernst und erinnert sich: „Der Ad-Blue-Tank oberhalb des Motors von einem Fremdhersteller war nicht richtig abgesichert. Eines Morgens stand dann das komplette BHKW unter Ad Blue und der Motor war Schrott.“ Zwar konnte er das zweite mtu-BHKW weiter nutzen, doch ein Aggregat reicht ihm nicht, um das komplette Biogas zu verwerten. Doch dank eines Servicevertrags war Energor gut abgesichert und Matthias Preußner ist dem Rolls-Royce-Serviceteam noch heute dankbar: „Innerhalb von sechs Wochen habe ich einen Ersatzmotor bekommen“, berichtet er. Und so konnte die Energieproduktion weitergehen.  

Zwei 8-Zylinder-mtu-Blockheizkraftwerke erzeugen mit dem aus den Speiseresten entstandenen Biogas Strom und Wärme. Der Energor-Geschäftsführer Matthias Preußner (im Bild links) lobt besonders den Rolls-Royce-Service auch in Person von Peter Grüner (r.), der ihn auch in kritischen Situationen schnell unterstützt hat.

Der Strom der Preußners wird ins öffentliche Strommetz eingespeist, die Wärme nutzt Familie Preußner selber: Sie erzeugt damit heißes Wasser für den eigenen Bedarf, aber auch, um damit die Speiserestetonnen zu reinigen. Doch die thermische Energie wird auch für die Hygienisierung der Abfälle, zur Mais- und Holztrocknung oder zur Fettschmelze benötigt. Denn dies ist ein weiteres Standbein von Matthias Preußner: Er sammelt nicht nur Speisereste, sondern auch Frittenfett in extra dafür entwickelten Tonnen. Dieses wird gereinigt, aufbereitet und weiterverkauft an Hersteller, die daraus beispielsweise HVO herstellen.  

Die thermische Energie der Biogas-Blockheizkraftwerke wird unter anderem dazu verwendet, heißes Wasser zur Reinigung der Speiserestetonnen zu erzeugen.

„Für irgendwas ist alles gut.“ Diese Philosophie von Matthias Preußner wird bei Energor deutlich. Übrigens auch die Reste aus der Biogasproduktion. Die fährt Vater Preußner wieder auf die Äcker – als Dünger. So geht Kreislaufwirtschaft.  

Im Herbst des Jahres 2023 hat Rolls-Royce ein neues mtu-Blockheizkraftwerk
auf den Markt gebracht, das Maßstäbe setzt bei Wirkungsgrad, Leistungsdichte
und Lebenszykluskosten. Die 12-Zylinder-Variante ist schon heute erhältlich.
Sie hat über 1.500 Kilowatt elektrische Leistung und einen Spitzenwirkungsgrad
von 44,1% und einen Gesamtwirkungsgrad von über 90%. Weitere Infos gibt’s hier.    

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