STORY Kommerzielle Schifffahrt

Wenn Visionen zünden: Methanolmotor besteht Belastungstest

Veröffentlicht am 27 Oktober 2025 von Lucie Maluck

Ein Moment, der bewegt: Der erste schnelllaufende Methanolmotor für die Schifffahrt zeigt, wie aus einer Vision ein greifbarer Schritt in Richtung CO₂-freier Schifffahrt wird.
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Verbrennungsmotoren sind ein unverzichtbarer Begleiter der Energiewende. Daher entwickeln wir sie weiter und machen sie fit für den klimaneutralen Betrieb.
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Der kräftige Klang des Methanolmotors erfüllt den Prüfstand, während die Kontrolllampen aufleuchten und die Ingenieure gespannt auf die Anzeigen blicken. Mitten im Geschehen – zwar hinter einer Glaswand, aber doch unmittelbar dabei – steht Denise Kurtulus, Leiterin des Marinegeschäfts bei Rolls-Royce. Sie kann den Moment kaum fassen: Nach Jahren Entwicklung läuft der weltweit erste schnelllaufende Single-Fuel-Methanolmotor mit 2.000 Kilowatt Leistung auf dem Prüfstand.
„Es ist einfach überwältigend“, sagt sie mit leuchtenden Augen. „Vor sechs Jahren haben wir mit einer kleinen Gruppe angefangen, über Methanol als Kraftstoff für die Schifffahrt nachzudenken. Jetzt stehe ich hier und sehe, wie unser Motor tatsächlich läuft. Ich bin mehr als stolz auf unser Team – wir haben bewiesen, dass CO₂-freier Schiffsantrieb mit Verbrennungsmotoren möglich ist.“
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Methanol für die maritime Energiewende: Warum dieser Kraftstoff passt

Methanol bringt genau das mit, was die Schifffahrt jetzt braucht – praktische Dekarbonisierung ohne exotische Technik:

  • Bilanziell CO₂-neutral: Grünes Methanol wird aus CO₂ und grünem Wasserstoff oder aus Pflanzenresten hergestellt. Beim Verbrennen entsteht zwar CO₂, aber nur so viel, wie vorher aus der Luft entnommen wurde – deshalb bleibt die Bilanz ausgeglichen. Das ist der Unterschied zum fossilen Kraftstoff: Das Erdöl bleibt in der Erde, es wird kein zusätzliches CO2 freigesetzt.
  • Saubere Verbrennung: Keine Schwefel- und wesentliche weniger Stickoxide sowie Partikel als beim Dieselkraftstoff reduzieren den Aufwand bei der Abgasnachbehandlung.
  • Tankvolumen: Methanol hat nur eine etwa halb so große Energiedichte wie Diesel. Deshalb sind doppelt so große Tanks nötig, um die gleiche Reichweite zu erzielen. Im Vergleich zu anderen grünen Kraftstoffen wie Wasserstoff oder Ammoniak ist Methanol dennoch platzsparender.
  • Einfache Handhabung und Logistik: Anders als LNG muss Methanol nicht gekühlt werden; es ist bei Umgebungsbedingungen flüssig und lässt sich über vorhandene Tank- und Bunkerprozesse integrieren.
  • Sicherheit: Methanol ist biologisch abbaubar, wasserlöslich und weniger explosiv als LNG oder Wasserstoff. Das reduziert Umwelt- und Sicherheitsrisiken bei Unfällen.

Kurz: Methanol ist der realisierbare Hebel für klimafreundliche Antriebe auf See.

Premiere auf dem Rolls-Royce-Prüfstand: Weltweit gibt es bisher keinen schnelllaufenden Single-Fuel-Methanolmotor mit 2.000 kW Leistung.

Meilenstein im Verbund: MeOHmare treibt Methanol voran

Entwickelt wird der Motor im Forschungsprojekt meOHmare – gemeinsam von Rolls-Royce, dem Einspritzsystemspezialist Woodward L’Orange und dem Technologie- und Forschungszentrum WTZ Roßlau. Das Verbundvorhaben wird vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Das Ziel ist klar definiert: Bis Ende des Jahres 2025 soll der Methanolmotor auf dem Prüfstand getestet sein.

Der Methanolmotor ist von Rolls-Royce gemeinsam mit Woodward L’Orange und dem WTZ Roßlau im Forschungsprojekt MeOHmare entstanden. Das Projekt wurde gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.

Test auf dem Prüfstand: Stabiler Lauf – jetzt kommt das Feintuning

Die bisher absolvierten Teststunden zeigen: Der Motor läuft stabil. Gleichzeitig lernen die Ingenieurinnen und Ingenieure in jeder Session dazu.

„Das Motorverhalten unterscheidet sich deutlich von dem eines Dieselmotors. Wir verbessern aktuell die Einstellungen, damit der Motor gleichmäßig läuft und unter Last sauber beschleunigt“, sagt Dr. Johannes Kech, Leiter der Methanolmotor-Entwicklung bei Rolls-Royce.

Der Unterschied: Einspritzung, Gemischbildung, Turboaufladung

Methanol ist kein Drop-in-Treibstoff, kann also einen anderen Kraftstoff nicht ohne Änderungen am Motor ersetzen – und genau darin liegt die Ingenieurskunst:

  • Einspritzung: Für diese Leistungsklasse existierten keine Methanol-Injektoren von der Stange. Gemeinsam mit den Partnern entwickeln Rolls-Royce-Ingenieure Hardware, die präzise dosiert und langlebig ist.
  • Gemischbildung: Da Methanol nicht so gut schmiert wie Diesel, können nicht so extreme Drücke erzeugt werden, was die notwendige feine Zerstäubung erschwert. Ziel ist ein homogenes, zündfähiges Luft-Kraftstoff-Gemisch, das an der Zündkerze sofort sauber verbrennt.
  • Luftsystem & Turboaufladung: Das Brennverfahren ist auf die speziell ausgelegte Aufladung abgestimmt – für saubere Verbrennung, schnelles Hochdrehen und hohe Effizienz im gesamten Kennfeld.

Das Ergebnis: Performance, Dynamik und saubere Methanolverbrennung schließen sich nicht aus. Der Motor verbindet das dynamische Ansprechverhalten schnelllaufender Dieselmotoren mit einem Kraftstoff, der die maritime Energiewende voranbringt. Für Betreiber heißt das: gewohnte Performance, bessere Klimabilanz.

Tägliche Prüfstandsarbeit: Mehrmals täglich starten Rolls-Royce-Ingenieure den Methnanolmotor und stimmen ihn auf verschiedene Kennfelder ab.

Methanol: Technik reift – Infrastruktur zieht nach

So vielversprechend die Methanol-Technologie für die maritime Energiewende ist, so klar ist auch: Die Verfügbarkeit von grünem Methanol ist aktuell noch begrenzt. Während die Technik große Fortschritte macht und das Interesse der Kunden riesig ist, fehlt es nicht nur am grünen Kraftstoff, sondern vielerorts auch an der nötigen Infrastruktur, um Methanol als Schiffskraftstoff flächendeckend einzusetzen.

„Ich bin überzeugt: Die Frage ist nicht mehr, ob Methanol in der Schifffahrt ankommt, sondern nur noch, wann wir gemeinsam den Durchbruch erleben“, sagt Denise Kurtulus und ergänzt: „Die Technologie ist bereit, die Kunden sind interessiert – jetzt braucht es die Infrastruktur und den politischen Willen, diese zu fördern.“

Der Pfad zur Flotte: Single-Fuel als Ziel, Dual-Fuel als Brücke

Um die Zeit zu überbrücken, in der grünes Methanol nicht flächendeckend zur Verfügung steht, testen Rolls-Royce-Ingenieure auch Dual-Fuel-Motoren als Brückentechnologie: Diese Motoren können zu 100 Prozent mit Diesel oder mit einem flexiblen Anteil von Methanol betrieben werden. So bleiben die Kunden flexibel, während sie ihre CO2-Bilanz verbessern , je öfter sie mit möglichst hohem Methanolanteil fahren.

Ausblick: Vom Prüfstand in die Zukunft

Mit dem erfolgreichen Lauf des Vollmotors und den Erkenntnissen aus den Prüfstandstests ist ein wichtiger Schritt getan. Die nächsten Projektphasen konzentrieren sich auf Systemintegration und Feintuning für reale Einsatzprofile.

Was leise mit einer kleinen Idee begann, hat nun ein starkes, laut und kräftig klingendes technisches Fundament: Der weltweit erste schnelllaufende single-fuel-Methanolmotor macht die Vision von CO₂-freier Schifffahrt mit Verbrennungsmotoren greifbarer als je zuvor.

Methanol in 60 Sekunden

Was ist Methanol?
Ein flüssiger Alkohol, der als alternativer Schiffskraftstoff genutzt werden kann – besonders klimafreundlich, wenn er aus erneuerbaren Quellen stammt.

Vorteile für die Schifffahrt:

  • CO₂-neutral: Bei Nutzung von grünem Methanol
  • Saubere Verbrennung: Weniger Schadstoffe als Diesel
  • Einfache Lagerung: Flüssig bei Umgebungstemperatur, keine Kühlung nötig
  • Sicher: Biologisch abbaubar, weniger explosiv als LNG oder Wasserstoff
  • Bestehende Infrastruktur nutzbar

Herausforderungen:

  • Geringere Energiedichte: Größere Tanks nötig
  • Verfügbarkeit: Grünes Methanol noch im Aufbau
  • Technik: Neue Motoren und Einspritzsysteme erforderlich

Fazit
Methanol ist der Schlüssel für eine klimafreundliche, praxistaugliche Schifffahrt der Zukunft.

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